Johann Georg Grasel

Johann Georg Grasel (* 4. April 1790, in Neuserowitz, heute Teil der Gemeinde Mährisch-Budwitz in Tschechien; † 31. Jänner 1818, in Wien), im Volksmund auch als Hansjörg Grasel bekannt, war Anführer einer Räuberbande, die das Viertel über dem Manhartsberg und die benachbarten Gebiete der damaligen Kronländer Böhmen und Mähren heimsuchte. Nach seiner Gefangennahme und Hinrichtung wurde er zu einer Waldviertler Legende, die heute vor allem für den Tourismus genutzt wird.[1]

Herkunft und Familie

Johann Georg Grasel war der Sohn der Eheleute Thomas und Regina Grasel aus Neuserowitz bei Znaim, die sich bald nach seiner Geburt in Hadersdorf am Kamp niederließen. Thomas Grasel, welcher auch als der "Alte Grasel" bekannt war, hielt sich mit Diebstählen über Wasser und gehörte später zur Bande seines Sohnes.[2] Traurige Bekanntheit verdankte er dem Mord an dem Landwirt Michael Binder aus Wörnharts (heute Teil der Gemeinde Großschönau (Niederösterreich)), den er mit einem Messer abstach.[3] Regina Grasel stammte aus einer Abdeckerfamilie.[2]

Der historische Johann Georg Grasel

Johann Georg Grasel stammte aus der Unterschicht und war aufgrund seiner "unehrlichen" Herkunft von Jugend an ein gesellschaftlicher Außenseiter. In seiner Familie waren Kriminaldelikte an der Tagesordnung. Er war sicher kein "Sozialrebell" oder gar ein "Robin Hood des Waldviertels", zu dem ihn die Legende später verklärt hat. Als "gewöhnlicher" Gauner dürfte er jedenfalls nicht "unbegabt" für seine Profession gewesen sein, denn er verstand es geschickt, durch ein gut organisiertes Kontaktnetz und eine kompakte "Allianz" der "Waldviertler Unterprivilegierten" seine Einbrüche und Raubzüge so zu planen, dass es den öffentlichen Behörden längere Zeit nicht gelang, seiner habhaft zu werden. Seine Bande und er mordeten zwar nicht vorsätzlich, scheuten aber vor Gewalt keineswegs zurück, wenn die Opfer Geld oder Wertsachen nicht freiwillig herausrückten. Außer Diebstahl und Raub kam es auch zu schweren Totschlagdelikten und Raubmord. Als Grasels bekannteste Opfer gelten der Gastwirt Michael Witzmann aus Obergrünbach (heute Teil der Marktgemeinde Lichtenau im Waldviertel), der sich auf die Jagd nach der "Grasel-Bande" gemacht hatte und von Grasel am 13. Juni 1813 mit sechs Messerstichen ermordet wurde, und Anna Maria Schindler, eine alleinstehende alte Frau, die von ihm und vier seiner Komplizen bei einem Einbruch in Zwettl in der Nacht vom 18. zum 19. Mai 1814 schwer misshandelt und dabei tödlich verletzt wurde. Weitere namentlich bekannte Opfer waren die Witwe Katharina Androsch aus Zettenreith (heute Teil der Gemeinde Japons), die an Mißhandlungen verschied, die ihr die Graselbande bei einem Raub zugefügt hatte, der Tabakaufseher Sokolofsky, der nach einigen Monaten seinen Verletzungen erlag, nachdem er von der Grasel-Bande niedergestochen worden war, und der Fleischhauer Schwarzinger[3]. Mit Hilfe von David Mayer, der als Polizeispitzel tätig war, gelang es, Grasel und seiner Bande eine Falle zu stellen, worauf sie am 20. November 1815 im Dorfgasthaus von Mörtersdorf (heute Teil von Rosenburg-Mold) festgenommen wurden. Nach der Überführung nach Wien wurden sie verurteilt und Grasel gemeinsam mit Ignaz Stangl (genannt der "Schöne Nazl") und Jakob Fähding (genannt "Gams"), zwei seiner Komplizen, vor dem Neutor auf dem Glacis gehängt wurden.[4]

Legendenbildung um Johann Georg Grasel

Johann Georg Grasel gehörte zu jenen Kriminellen, die nach ihrer Hinrichtung und nachdem sie keine Gefahr mehr waren, als "edle Räuber" verklärt wurden.[3] Obwohl es dafür keine tatsächlichen Belege gibt, wurde ihm nachgesagt, dass er die Reichen beraube, um mit der Beute armen Leuten in Not zu helfen.[2] Diese Geschichten um den großen "Hansjörg" wurden ergänzt und ausgeschmückt, zudem entwickelten sich "Gedenkorte", darunter zahlreiche "Grasel-Höhlen", in denen er angeblich gehaust haben soll, und Ähnliches.[3]

Grasel-Gedenkstätten

  • Drosendorf: In einem noch heute erhaltenen Turm in Drosendorf war Resi Hammer, eine Geliebte von Johann Georg Grasel, inhaftiert.[5]
  • Horn: Im Höbarthmuseum gibt es einen Grasel-Turm mit einer nachgebauten "Graselhöhle" zu besichtigen.
  • Rosenburg-Mold: Hier befindet sich in der Nähe der Wallfahrtskirche Maria Dreieichen die "Grasel-Höhle". Als weitere Touristenattraktion gilt der "Grasel-Heuriger" (Gasthaus" "Zur Graselwirtin"). Der Legende nach soll er angeblich jenes Gasthaus in Mörtersdorf gewesen sein, wo Johann Georg Grasel verhaftet wurde.

Belletristik

  • Eduard Breier: Die beiden Grasel, Roman (1854)
  • C. Ulf: Leben und Treiben des berüchtigten Räuber-Hauptmannes Johann Georg Grasel nach Urkunden, andern glaubwürdigen Aufzeichnungen und mündlicher Überlieferung, Volksbuch (1862)
  • Moriz Bermann: Grasel's Liebschaften oder: Der Mädchenräuber aus dem Höllenthale, Roman (1872)

Grasel gilt außerdem als Vorbild für die Figur des Jaromir aus der Schicksalstragödie "Die Ahnfrau" (1817) von Franz Grillparzer.[6] Eine weitere Folge der Legendenbildung um ihn war, dass sich das Waldviertel (Viertel über dem Manhartsberg) im 19. Jahrhundert als Schauplatz mehrerer österreichischer Gruselromane etablierte.[7]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Robert Bouchal - Johannes Sachslehner: Waldviertel, 2002, S. 75
  2. 2,0 2,1 2,2 vgl. Adolf Kastner (Hrsg.): Waldviertler Heimatbuch, 1994, S. 347
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 vgl. Adolf Kastner (Hrsg.): Waldviertler Heimatbuch, 1994, S. 349
  4. vgl. Robert Bouchal - Johannes Sachslehner: Waldviertel, 2002, S. 75-78
  5. vgl. Öffentliche Sicherheit 9-10 / 15, S. 43f. online
  6. vgl. Robert Bouchal - Johannes Sachslehner: Waldviertel, 2002, S. 78
  7. vgl. Robert Bouchal - Johannes Sachslehner: Waldviertel, 2002, S. 79
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