Zementwerke Lorüns

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Zementwerke Lorüns, Luftbild Land Vorarlberg (2014)
Zementwerke Lorüns, Luftbild Land Vorarlberg (2014)

Die Zementwerke Lorüns (Vorarlberger Zementwerke Lorüns Aktiengesellschaft[1]) wurden 1907 von Baumeistern und Industriellen aus Vorarlberg gegründet. Das Produkt wurde kurz als Lorünser Zement bzw. nur Lorünser bezeichnet.

Lage, Ausdehnung und Geologie

Die Zementwerke und der Steinbruch (etwa 580 m ü. A.) befinden sich auf dem Gemeindegebiet von Bludenz, Lorüns und Stallehr, teilweise auf der Parzelle Brunnenfeld. Das Diebsschlössle befindet sich etwa 250 Meter östlich des Steinbruches. Das Alfenzkraftwerk am südlichen Rand des Betriebsgeländes. Zum nordöstlich gelegenen Dorf Stallehr sind es rund 1300 Meter Luftlinie, zum südöstlich gelegenen Zentrum von Lorüns rund 900 Meter und in das Stadtzentrum von Bludenz rund drei Kilometer. Auf der nördlichen/nordwestlichen Seite wird das Betriebsgebiet weitgehend durch die Alfenz begrenzt, auf der südlichen/südwestlichen Seite durch die Ill. Quer durch das Betriebsgebiet führt die eingleisige Bahnlinie der Montafonerbahn von Bludenz nach Schruns. Auf der östlichen Seite befindet sich ein Ausläufer des Davennastocks, in welchen der Steinbruch im Laufe der Jahre hineingesprengt wurde.

Der Steinbruch nimmt nach außen sichtbar in etwa eine Fläche von etwa 15 Hektar ein, wovon sich rund 12 Hektar (rund 80 %) auf dem Gemeindegebiet von Stallehr befinden. Die Gesamtfläche des nach Außen sichtbaren Betriebsgebietes der Zementwerke beträgt rund 25 Hektar, wovon sich rund 20 % auf dem Gemeindegebiet von Lorüns, 25 % auf dem Gemeindegebiet von Bludenz und 55 % auf dem Gemeindegebiet von Stallehr befinden.

Beim Zementwerk Lorüns treffen wechselnd Kalkschichten und Tonschichten (Mergel) der Lechtaldecke aufeinander. Beides die Hauptausgangstoffe für die Zementproduktion. Nach Einstellung der Zementproduktion wurde einige Jahre noch Betonzuschlagstoffe und Wasserbausteine gewonnen.[2]

Durch die nahebei fließende Ill und die Alfenz ist der Grundwasserspiegel im Bereich der Steinbruches und der Zementwerke relativ stabil hoch.

Geschichte

Gründung bis zum Ersten Weltkrieg

1860 bereits wurde in Bings ein Gipswerk in Vorarlberg von Georg und Leonhard Walser († 1876) aufgebaut und sogenannter „Bau- und Feldgips“ erzeugt[3][4][5] Ab 1869 auch römischer Zement (Roman-Cement, siehe: Gips- und Zementwerk Bings). Wenige Jahrzehnte später wurde der Roman-Cement wegen technischer Vorteile weitgehend durch den Portlandzement abgelöst. 1903 ließ der damalige Eigentümer der Zementerzeugung in Bings, Rudolf Fritz, Gestein aus seinem Steinbruch untersuchen und es stellte sich heraus, dass dieses für die Erzeugung eines guten Portlandzementes geeignet sind. Die Fabrikseinrichtungen der bisherigen Zementerzeugung in Bings waren jedoch dazu nicht mehr geeignet und Rudolf Fritz (1865 -1916[6]) hatte das hierzu nötige Investitionskapital nicht.[7]

Rudolf Fritz suchte daher nach Geldgebern um eine Zementfabrik in der Parzelle Brunnenfeld neu zu bauen. Die Geldgeber suchte er in der Schweiz und unter den Vorarlberger Unternehmern. Mehrere Zeitungen berichteten dann Ende März bzw. Anfang April gleichlautend über die Untersuchungen von Fachleuten aus der Schweiz: Im Brunnenfeld sollen schon durch einige Tage fremde Herren aus der Schweiz, Mitglieder einer Aktiengesellschaft, weilen behufs Platzierung und Erbauung einer neuen Portlandzement-Fabrik am rechten Alfenzufer, unweit der Bahnstation der Montafonerbahn. Die Fabrik käme auf städtischen Grund zu stehen und würde eine größere Anzahl Pferdestärken vom städtischen Elektrizitätswerke beziehen. Man sieht hier und in der Umgebung mit Interesse dem Ausgang diese Verhandlungen entgegen.[8][9][10][11] 1906 erfolgte dann unter der Leitung von Rudolf Fritz im Hotel Europa in Bregenz die Wahl eines provisorischen Ausschusses für den Neubaus eines Zementwerkes in Lorüns. Am 18. Oktober 1906 folgte dann im Gasthaus Sonne in Bings die Hauptversammlung, bei welcher der Beschluss gefasst wurde, die Vorarlberger Zementwerke Lorüns GmbH. zu gründen. Viele heimische Bauunternehmer kauften Anteilscheine.[12]

Am 23. Mai 1907 fand die Gründungsversammlung für die Zementwerke Lorüns im Hotel Bären in Feldkirch statt.[13] Es war geplant, ein Kapital von rund 1.000.000 Kronen aufzubringen. Die Gesellschafter mussten sich auch verpflichten, zukünftig ihren Bedarf an Zement durch die Zementwerke Lorüns zu beziehen.[14] Geschäftsführer der Gesellschaft wurde Rudolf Fritz und Ferdinand Gassner (Bludenz) als Gesellschafter mit Gegenzeichnungsrecht.[15]

Aufsichtsratvorsitzender wurden Ferdinand Gassner (Fabrikant). Weitere Aufsichtsräte: Jakob Kraushaar (Baumeister aus Bregenz), Ernst Kanzler (Bauunternehmer aus Lindau), Dr. Hans Bergmeister (Advokat in Feldkirch), J. A. Albrich (Baumeister in Dornbirn). Es waren etwa 80 Gesellschafter beteiligt, die im Durchschnitt etwa zwischen 5000 bis 10.000 Kronen investierten (5000 Kronen entsprachen einer Stimme auf der Gesellschafterversammlung). In weiterer Folge wurde das leerstehende Fabriksgebäude der Lodenfabrik Dörler & Co gekauft[16], das sich auf dem nunmehrigen Zementwerkareal in Lorüns befand und umgebaut für einen Drehofenbetrieb für eine jährliche Leistung von 18.000 Tonnen. Diesen modernen Rotierofen lieferte die Fa. Fellner und Ziegler aus Frankfurt am Main. Für das erste Wasserkraftwerk, welches das Wasser von der Ill bezog, wurde eine Francisturbine von der Fa. Rieter in Winterthur angeschafft (1929 zerstört). Während der Bauarbeiten der Zementwerke Lorüns wurde von der Firma Rudolf Fritz in Bings weiterhin die Zement- und Kalkerzeugung wie bisher betrieben und sollte erst eingestellt werden, wenn das neue Werk im Brunnenfeld in Betrieb ist. Bis dahin durften die Gesellschafter auch noch ihren Bedarf an Zement von auswärts beziehen.[17]

1908 konnte In Lorüns dann die Zementproduktion aufgenommen werden und die erste Zementlieferung wurde am 1. Juni 1908 ausgeliefert. Obwohl sich viele Interessenten am Unternehmen beteiligen, wurde das Stammkapital von 1 Million Kronen, wie anlässlich der Generalversammlung am 21. Oktober 1908 beschlossene, doch nicht erreicht.[18] 1909 betrug das investierte Kapital der 80 Einzelgesellschafter 840.000 Kronen. Die Mitglieder der Fabrikantenfamilie Gassner, Getzner und Mutter hielten mehr als 20 Prozent des Stammkapitals. Ferdinand Gassner war mit einer Einlage von 40.000 Kronen mit Abstand der größte Gesellschafter. Danach folgte Fritz Weberbeck mit 30.000 Kronen und der technischen Direktor der Vorarlberger Zementwerke, Rudolf von Brentano mit 25.000 Kronen. Die Familie Fritz verfügte über ein Gesellschafterkapital von 60.000 Kronen (rund sechs Prozent des Gesellschaftskapitals).[19]

Im ersten Produktionsjahr wurden rund 9000 Tonnen Portlandzement erzeugt. Die Firma Rudolf Fritz in Bings beendete die Zementerzeugung gänzlich und brannte nur mehr Kalk und Gips. Der Aufsichtsrat der Zementwerke Lorüns beabsichtigt bereits bald eine Vergrößerung des Werkes. Gegen die Vergrößerung sprachen sich die Gemeinde Lorüns und Stallehr wegen der durch das Zementwerk verursachten Umweltschäden durch Zementstaub aus.[20] Ein Brand am 24. August 1909 führte dazu, dass der Betrieb einige Wochen eingestellt werden musste und ein Schaden von etwa 100.000 Kronen entstand.[21][22] Als 14. und 15. Juni 1910 durch ein Hochwasser im Montafon, inneren Walgau, Klostertal und weiteren Gebieten in Vorarlberg große Schäden verursacht wurden, wurde auch der Einlauf des Kanals zum Zementwerk größtenteils zerstört und es entstand ein Reparaturaufwand von etwa 100.000.- Kronen.[19][23] Durch das Hochwasser folgte ein weiterer mehrmonatiger Betriebsstillstand. Dies führt dazu, dass ein zweiter, größerer Drehofen bestellt und aufgestellt wurde, um die Produktionsrückstände aufzuarbeiten und mehr exportieren zu können. Dieser zweite Drehrohofen mit einer Kapazität von 15.700 Tonnen wurde 1911 gebaut.[24]

Nach längerer Debatte im Stadtrat von Bludenz wurden die Grundstücke am Lärchenbühel an die Zementwerke Lorüns verkauft.[25]

Um den Einwänden wegen der Umweltbelastung durch den Zementstaub entgegenzuwirken, wurden mehrere Maßnahmen bei der Erweiterung gesetzt, wie z. B. eine Ofenentstaubung um 20.000 Kronen, veränderte Beschickung des Ofens, Staubkammern in der Mühlenanlage, vollständige Trennung der Vorbrecherei von dem neu zu erstellenden Ofen, wodurch die Staubentwicklung in der Trockentrommel und der Brecherei nicht mehr durch den Schornstein abgezogen wird etc. Die durch die Zementerzeugung ausgelösten Umweltbelastungen beschäftigten das Unternehmen noch Jahrzehnte bis zur endgültigen Einstellung des Betriebs.

Durch Qualitätsverbesserungen durch den Chemiker Ing. Knauer erreicht der Lorünser Zement 1912 eine hervorragende Güte. Es gelang hier erstmals die Herstellung eines hochwertigen Spezialzements, der schon nach zweitägiger Erhärtung die volle Festigkeit erreichte (andere Zemente erst nach 28 Tagen). Dieser als „Lorünser Spezialzement“ bezeichnete Zement wurde als „Frühhochfester Portlandzement“ in die österreichischen Normen aufgenommen. Am 4. August 1915 wurde die gesamte Produktion des Unternehmen vom k.k. Kriegsministerium als kriegswichtig eingestuft und durfte nur noch für militärische Zwecke produziert werden.[26][27]

1916 erwarben die Zementwerke Lorüns das in Konkurs gegangene Zement- und Kalkwerk C. Edelman & Cie in Ludesch (Zementwerk Ludesch) um 350.000 Kronen. Dabei musste das Stammkapital der Zementwerke Lorüns auf 1,6 Millionen Kronen erhöht werden, wobei 600.000 Kronen aus der Schweiz von den vorherigen Gläubigern des Zementwerkes in Ludesch kamen (+ 600.000 Kronen Pfanddarlehen).[28] Es wurde ein neuer Aufsichtsrat gewählt, dem bekannte Personen aus Vorarlberg und der Schweiz angehören: Ernst Kanzler, Ernst Schmidheiny, Ferdinand Gassner, Dr. Haussmann, Jakob Kraushaar, Carl Schneider, Ferdinand Brettauer, Josef Peer und Ferdinand Kinz. 1917 wurde das Fabrikgelände der Rollladenfabrik Josef Pfeifer in Stallehr gekauft und Arbeiterfamilien als Wohnungen zur Verfügung gestellt.[29]

Zwischenkriegszeit

Am 3. Oktober 1918 verkaufte die Gemeinde Stallehr die Liegenschaft des Steinbruchs an die Zementwerke Lorüns (7000 m² um 21.000 Kronen). Mit dem Ende des Österreichisch-Ungarischen Monarchie im November 1918 verließen mehr als die Hälfte der bisherigen Mitarbeiter den Betrieb, da es sich dabei um enthobenen und zugewiesenen Militärpersonen gehandelt hatte. Im Dezember 1918 fehlte auch die notwendige Kohle für den Brennvorgang und der Betrieb wurde eingestellt. Es wurden notwendige Reparatur der Betriebsanlagen und Verbesserungen der Fabrikationseinrichtungen vorgenommen. Erst Anfang Mai 1919 konnte der Betrieb mit Zuweisung von Kohle wieder aufgenommen werden. Die in Notzeiten immer wieder abgebauten Vorräte an Braunkohle im Wirtatobel bei Bregenz ermöglichen nun auch einen Weiterbetrieb der Zementerzeugung. 1919 konnten so 634 Waggons Zement zu je 10 Tonnen erzeugt werden.[30] Von Januar 1920 bis Anfang Mai stand die Produktion wieder still.[31] 1920 wurde Edwin Müller (* 8. Augst 1891 in Reichenberg) alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer.[32] Er war großdeutsch gesinnt und trat bereits 1933 der damals illegalen NSDAP bei und machte aus den Zementwerken Lorüns ein „Refugium für Nationalsozialisten“.[33]

Das Gesellschafterkapital wurde 1922 auf 4.500.000 Kronen erhöht.[34] 1922 begann auch die Umsetzung des Baus des heutigen Alfenzkraftwerks, als um die wasser- und gewerberechtliche Bewilligung für etwa 1000 PS angesucht wird. Durch den Bau dieses Kraftwerkes war es nun möglich, das Werk in Lorüns nochmals erheblich zu erweitern.[35] Finanziert wurde dies durch die Umwandlung der GesmbH in eine Aktiengesellschaft (AG), die am 26. März 1925 erfolgte.[36][37] In der Nacht vom 8. zum 9. Jänner 1925 brannte es wiederum im Zementwerk und die Schreinerei, ein Magazin und die Schlosserwerkstätte wurden fast zur Gänze zerstört.[38][39] Mit der Inbetriebnahme des Alfenzkraftwerkes am 6. Jänner 1926 wurde auch eine Versorgungsleitung vom Werk Ludesch zum Werk Lorüns um ATS 60.000 erstellt.[40]

1926 war der Geschäftsgang schlecht und es wurden mehr als 10.000 Tonnen weniger Zement produziert als im Vorjahr, es kam zu Kündigungen und mehrwöchigen Zwangspausen. Für den Bau des Vermuntwerkes wurden 1927 rund 2500 Waggons Zement geliefert und die Bautätigkeit stieg allgemein bis 1931 wieder an.[41] Dennoch kam es zum Verkauf von vielen Aktien, die zum Hauptteil vom Konkurrenten, der Perlmooser AG in Wien, aufgekauft wurden. Selbst der bisherige Hauptaktionär, Ernst Schmidheiny, verkaufte einen Teil seiner Aktien an Perlmooser und wurde dann Aufsichtsrat der Perlmooser Zementwerke AG. Wegen der Staubbelästigung kam es immer wieder zu Beschwerden und es wurden laufend Verbesserungen durchgeführt. 1929 erreichte die Produktion einen Stand von 51.560 Tonnen Zement.[42] Ab 1931 bis 1938 kam es wieder zu Betriebsunterbrechungen wegen der geringen Nachfrage.[43] Die geringe Nachfrage war wesentlich der restriktiven Wirtschaftspolitik im Austrofaschismus geschuldet (Abwendung vom liberalen Freihandelssystem und Einführung eines Autarkiemodells und des Ständestaats).[44]

Nach dem „Anschluss“

Anlässlich des Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurde von den Zementwerken Lorüns an die Arbeiter der Durchschnittslohn des Jahres 1937 für 14 Tage und den Angestellten ein Monatsgehalt als einmalige Zuwendung ausbezahlt.[45]

Mit Beginn des Jahres 1939 verband das Vorarlberger Zementwerk Lorüns mit der Süddeutschen Cement-Verband Ges.m.b.H. in Heidelberg ein Kartellverhältnis.[46] Die Produktion und der Absatz steigerten sich durch die Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg erheblich. Kriegsgefangene wurden zur Arbeit im Zementwerk völkerrechtswidrig gezwungen und in einem bewachten Barackenlager in Lorüns untergebracht.

Die Geschäftsführung wollte nach dem „Anschluss“ Österreichs von der Stadt Bludenz zu einem Spottpreis Liegenschaften erwerben. Der nationalsozialistische Bürgermeister, Anton Hutter (1901-1982) wehrte sich dagegen, da dies gegen die Interessen der Stadt Bludenz war. In weiterer Folge wurde er von Gauleiter Franz Hofer (1902-1975) am 27. April 1940 wegen angeblich parteischädigendem Verhalten als Bürgermeister beurlaubt und am 30. September 1940 formell seines Amtes enthoben. Die Stadt Bludenz wurde zum Verkauf an die Zementwerke Lorüns AG gezwungen.[47]

Im Betrieb selbst wurden Zwangsmaßnahmen gegenüber den Arbeitern und Fremd- und Zwangsarbeitern ausgeübt und die Löhne gedrückt. Der Geschäftsführer Müller und der Chemiker Georg Hentschel waren schon vor dem „Anschluss“ bei der Belegschaft äußerst unbeliebt und wurden dies durch die Erhöhung des Arbeitsdruckes noch mehr. Wegen angeblicher arbeitsrechtlicher Verfehlungen wurden immer wieder Anzeigen bei der Gestapo erstattet. Bereits wegen „frechem Verhalten“ konnte einem Arbeiter auch das Arbeitserziehungslager Reichenau drohen.[48]

Die von den Zementwerken Lorüns den Fremdarbeitern zur Verfügung gestellten Unterkünfte waren desolat und verschmutzt. Die Bludenzer Polizei hielt den Zustand in einem Bericht fest: In diesem Lager wurde in drei Jahren nicht das geringste renoviert, und für das Ungeziefer war auch nie ein Abwehrmittel vorhanden. Es gab in diesem Lager nämlich Flöhe und Wanzen zur Genüge, und wenn die Polizei oder Gendarmerie einmal etwa mit Hausdurchsuchungen zu tun hatte, so mußte man sehr vorsichtig sein, daß man nicht solche Kleinviecher mit nach Hause brachte. Für dieses Lager hatte weder Hentschel noch Müller je einmal einen Maurer oder Anstreicher übrig, und diese menschenunwürdige Bude sah immer gleich dreckig aus und bekam nie einen neuen Anstrich. Reklamiert haben die zum Teil sehr anständig gekleideten Polen sehr oft, man möchte ihnen doch einmal die zwei Zimmer, in denen 15 bis 20 Personen wohnten, durch einen Maurer oder Anstreicher herrichten lassen, aber geschehen ist nie etwas.[49]

Andererseits wurden neu ausgebaute „Gefolgschaftswohnungen“ geschaffen mit Küche, Wasch- und Ankleideräumen und für diese Bauten und Einrichtungen insgesamt 65.612,76 Reichsmark aufgewendet. Es wurden auch mit Genehmigung des Rechtstreuhänders der Arbeit Leistungs- und Erschwerniszulagen eingeführt. Für den Gemüseanbau wurden Mitarbeitern Grundstücke kostenlos zur Nutzung überlassen. Lehrlinge die sportliche Betätigung ermöglicht und Fachkurse finanziert. Am 4. Dezember 1940 wurde eine neu eingerichtete Werksküche mit Gefolgschaftsraum, sowie neuem Wasch- und Ankleideraum übergeben. Zum Schutz der Arbeiter vor Fliegerangriffen wurden in Lorüns und Ludesch Splitterschutzgräben ausgehoben.[50] Andererseits gab es auch ein Kriegsgefangenenlager mit Wachmannschaften.[51]

Nach 1945

Die Geschäftsleitung und andere belastete Personen wurde nach dem Krieg auf Grund des NS-Verbotsgesetzes entlassen. Akuter Brennstoffmangel und reparaturbedürftige Anlagen sorgten dafür, dass die Produktion nur langsam beginnen konnte. 1945 wird ein Verlust von 1.037.580,68 Schilling verbucht.[52] Fast ein Jahr stand das Zementwerk in Lorüns mangels Kohle und Facharbeitskräften still und wurde Anfang Juni 1946 wieder angefahren. Es wurde bei diesem Neubeginn ausdrücklich auf die bessern Arbeitsbedingungen als zuvor hingewiesen.[53] Auch 1947 fehlt es wieder an Brennstoffen. Es wird dennoch bereits über die Erneuerung und Erweiterung der Anlagen diskutiert und geplant.[54][55] Ab 1948 steigert sich wieder der Verkauf, vor allem der Export und ab 1949 folgte eine Normalisierung, so dass im Werk Lorüns beide Drehöfen betrieben werden konnten und in Ludesch neben der Erzeugung von Durcit-Kalk auch die Produktion von Hochofenzement aufgenommen werden konnte. Die Herstellung von Düngekalk wurde eingestellt. 1949 wurden Häuser für Werkswohnungen fertiggestellt.[56]

Auf Grund des Dritten Rückstellungsgesetzes mussten die Zementwerke Lorüns die mit Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag vom 29.9.1939 und 4.10.1939 erworbenen Steinbruchgeländeteile mit 66.525 m² an die Gemeinden Bludenz und Stallehr zurückstellen und ATS 18.490,08 bezahlen.[57]

In den laufenden Jahren wurden viele Investitionen und Verbesserungen und Rationalisierung getätigt. Gleichzeitig stieg der Absatz von Zement kontinuierlich bis zu Beginn der 1970er-Jahre. Es wurde auch in Lorüns und Ludesch weiter an der Entstaubung der Anlagen und Prozesse gearbeitet. [58]

1995 begann das Ende der Zementwerke Lorüns AG, als diese von den Bündner Cementwerken AG in Untervaz erworben wurde. Die Zementproduktion wurde eingestellt und nur noch der Mahlwerkbetrieb weitergeführt. Dies führte zur Entlassung zahlreicher Mitarbeiter. Am 27. März 1996 wurde das Kalk- und Fertigputzwerk Ludesch GmbH an die Firma Transbeton Baustoffwerk Gmbh &Co KG (Tomaselli, Gabriel, Jäger) verkauft und auch der Steinbruch in Lorüns zum Abbau an diese Firma übergeben.[59] Die Ofenlinie und die Alfenzwerke wurden in einem weiteren Schritt an die Firma Zech verkauft.[60]

Stilllegung des Zementwerks 2011

Das Werksareal in Lorüns wurde sodann 2011 an die Fa. böhler + sohn in Feldkirch verkauft. Am 29. Juni 2012 erfolgte ein öffentliches „Abschiedsfest“. Die Infrastruktur des Betriebsgebietes wurde ausgebaut und mit der Vermarktung des Betriebsgebietes begonnen.[61] Auf dem Areal sollen Klein- und Mittelbetriebe angesiedelt werden.

Weblinks

 Zementwerke Lorüns – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. Ursprünglicher Wortlaut im Handelsregister: Vorarlberger Zementwerk Lorüns (Bludenzer Anzeige vom 11. September 1907, S. 3.).
  2. J. Georg Friebe: Geologie der österreichischen Bundesländer: Vorarlberg, Geologische Bundesanstalt, Wien 2007, ISBN 978-3-85316-037-4, S. 96.
  3. Feldkircher Zeitung vom 27. August 1862, S. 4.
  4. Feldkircher Zeitung vom 23. September 1876, S. 2.
  5. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, Herausgegeben von Fa. böhler + sohn, Feldkirch, September 2013, S. 3, 5, 6.
  6. Die Familie Fritz stammte aus Stuben am Arlberg und er war der Sohn des dortigen Postmeisters. Er war Vorsteher in Klösterle, Mitglied des Zentralausschusses des Vorarlberger Feuerwehrgauverbandes und Ehrenmitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bings, ab 1910 Stadtrat in Bludenz und lange Zeit Ortsvorsteher bzw. Ortsschulaufseher von Bings sowie Oberleutnant bei den Standschützen. Er starb an einem Schlaganfall (Bludenzer Anzeiger vom 2. September 1916 , S. 2 und Bludenzer Anzeiger vom 8. Oktober 1910, S. 2, Vorarlberger Volksblatt vom 26. August 1916, S. 3 f).
  7. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 13.
  8. Vorarlberger Landes-Zeitung vom 29. März 1905, S. 3.
  9. Innsbrucker Nachrichten vom 31. März 1905, S. 5.
  10. Bludenzer Anzeiger 1.4.1905.
  11. Feldkircher Zeitung vom 5. April 1905, S. 2.
  12. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 16.
  13. Vorarlberger Volksblatt vom 25. Mai 1907, S. 4.
  14. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 18.
  15. Siehe Vorarlberger Landes-Zeitung vom 13. April 1910, S. 5. Rudolf Fritz trat bereits am 30. Juni 1910 zurück, da er anderweitige Verpflichtungen wahrnehmen musste. Seine Nachfolger wurden Ing. Gustav Bergmeister und Christian Binhammer (Vorarlberger Landes-Zeitung vom 7. September 1910, S. 5).
  16. Vorarlberger Volksblatt vom 16. Januar 1909, S. 4.
  17. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 19, 45.
  18. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 22.
  19. 19,0 19,1 Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 25.
  20. Vorarlberger Landes-Zeitung vom 28. Dezember 1911, S. 2.
  21. Vorarlberger Volksblatt vom 26. August 1909, S. 4.
  22. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 23.
  23. Bludenzer Anzeiger vom 18. Juni 1910, S. 1.
  24. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 26 f.
  25. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 27.
  26. Vorarlberger Landes-Zeitung vom 9. August 1915, S. 2.
  27. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 31 f.
  28. Vorarlberger Volksblatt vom 8. April 1916, S. 4.
  29. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 35.
  30. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 36.
  31. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 37.
  32. Bludenzer Anzeiger vom 4. September 1920, S. 5. Bereits 1916 hatte er die Prokura bekommen (Bludenzer Anzeiger vom 28. Oktober 1916, S. 5.)
  33. Harald Walser: Anspruch und Wirklichkeit: Der Nationalsozialismus und die Vorarlberger Arbeiterschaft in: Im Prinzip: Hoffnung, Arbeiterbewegung in Vorarlberg 1870 – 1946, Beiträge zu Geschichte Vorarlbergs, Fink´s Verlag Band 4, S. 325.
  34. Bludenzer Anzeiger vom 7. Oktober 1922, S. 3.
  35. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 38 ff.
  36. Vorarlberger Landes-Zeitung vom 29. Januar 1927, S. 4.
  37. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 41.
  38. Vorarlberger Landes-Zeitung vom 10. Januar 1925, S. 3.
  39. Vorarlberger Wacht vom 14. Januar 1925, S. 2.
  40. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 43.
  41. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 43-46 .
  42. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 44.
  43. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 46-48.
  44. Harald Walser: Anspruch und Wirklichkeit: Der Nationalsozialismus und die Vorarlberger Arbeiterschaft, S. 326, 328.
  45. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 48.
  46. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 50.
  47. Harald Walser: Anspruch und Wirklichkeit: Der Nationalsozialismus und die Vorarlberger Arbeiterschaft, S. 326 - 329.
  48. Harald Walser: Anspruch und Wirklichkeit: Der Nationalsozialismus und die Vorarlberger Arbeiterschaft, S. 330 - 335.
  49. Harald Walser: Anspruch und Wirklichkeit: Der Nationalsozialismus und die Vorarlberger Arbeiterschaft, S. 335 - 337.
  50. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 51 f.
  51. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 52 ff.
  52. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 56.
  53. Vorarlberger Nachrichten vom 24. Juni 1946, S. 2.
  54. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 57.
  55. Vorarlberger Nachrichten vom 26. März 1947, S. 2.
  56. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 60 f.
  57. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 62.
  58. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 62 - 98.
  59. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 98 f.
  60. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 99.
  61. Ulrike Althof, Manfred Fiel: Geschichte des Zementwerkes Lorüns 1869 – 2013, S. 103 - 106.

49.1362059.843953Koordinaten: 49° 8′ 10″ N, 9° 50′ 38″ O