Kaspar Kalb

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Johann Kaspar Kalb (* 9. Jänner 1756 in Wolfurt; † 16. April 1841 in Wien) war Kammerdiener von Kaiser Franz II./I..

Leben

Zähes Studium

Dass gerade Kaspar von den elf Söhnen für eine Bildungslaufbahn ausgewählt wurde, mag damit zusammenhängen, dass die Eltern selbst schon zur damaligen Dorfelite gehörten (der Vater konnte beispielsweise schreiben) und dass ebendieser Knabe von den Eltern oder vom Pfarrer als besonders begabt angesehen wurde.

Wo Kalb das Gymnasium absolviert hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls scheint er aber eine Zeitlang in der Mehrerau gewesen zu sein. Denn der dortige Oberamtmann erhielt im Jahre 1771 aus einer Ausbildungsstiftung der Pfarre Bildstein 27 Gulden, und zwar „für Caspar Kalb an sein Handwerkdeputat für erlernte Rechnungskunst“. Und weil es im darauf folgenden Jahr keine Ansuchen um handwerkliche Ausbildungsunterstützungen gab, erhielt Kalb nochmals 28 Gulden.

Ab 1775 finden wir Kaspar Kalb als Student der Philosophie in Wien. Die Reichshauptstadt war damals für alle, die nicht Theologie oder Medizin studierten, die erste Adresse, weil man hier am ehesten mit Hausunterricht oder im Gastgewerbe das Geld für das Studium verdienen konnte. Die Reise nach Wien war etwas beschwerlich, aber billig. Die Vorarlberger Studenten begaben sich meist zu Fuß nach Ulm und trachteten, von dort auf einem Floß oder Schiff gegen ein geringes Entgelt donauabwärts mitgenommen zu werden. Eine solche Wienreise dauerte manchmal mehrere Wochen.

Den Aufzeichnungen der Willischen Stipendienstiftung der Pfarre Bildstein ist zu entnehmen, dass Kaspar Kalb in den folgenden Jahren kein besonders eifriger Student war: Das Philosophiestudium brach er nach einigen Jahren ab, um mit Jus zu beginnen, und seine Studien zogen sich sehr lange hin, ohne dass sie mit einer akademischen Würde abgeschlossen wurden. Mehrmals mussten väterliche Garantien die fehlenden Zeugnisse ersetzen. 1784 wurde ihm das Stipendium schließlich aberkannt, da

„..das Verhalten und Vorhaben des dermaligen Stipendiati Johann Caspar Kalb so, wie seine wankelmütige Bestimmung von solcher Art und Beschaffenheit, dass selbe in allem Betracht der frommen Absicht und Meinung des Stifters zuwiderlaufet..“

Ablehnung durch die Stiftung

Im Jahr darauf wurde die Unterstützung allerdings wieder gewährt, „da nun bedachter Stipendiat sich über sein fortgesetztes Studium mit guten Attestatis ausgewiesen hat“. Nach dreizehnjähriger Studienzeit verschwindet Kalb 1787 endgültig aus dem Rechnungsbuch der Pfarre Bildstein. Auffällig an diesen Eintragungen und Vergaben ist, dass Kalb im Gegensatz zu anderen Studenten nie selbst den Geldempfang quittiert hat, sondern stets sein Vater. Dies deutet darauf hin, dass er selten oder nie auf Heimaturlaub weilte.[1]

Kammerdiener des Kaisers

Eine ganz besondere und sehr persönliche Beziehung zum Kaiser hatte Kaspar Kalb, der von Kaiser Franz II./I. zu seinem Kammerdiener bestellt wurde. Als solcher hatte er Zutritt zu den Privatzimmern in der Hofburg und in Schloß Schönbrunn, wußte um die intimsten Dinge des Monarchen und trug Verantwortung für dessen Wohlbefinden bei Tag und bei Nacht. Zu einer solchen Vertrauensstellung konnte nur ein Mann mit besonderen Eigenschaften aufsteigen, der auch den hohen Anforderungen des Spanischen Hofzeremoniells genügte und allerbeste Referenzen vorzuweisen hatte.

Über Kammerdiener Kaspar Kalb erfahren wir aus einer Anfrage des Dornbirner Historikers Franz Kalb (14. August 1922-13. Mai 2019)[2], der sich in Zusammenhang mit Forschungen um den Sulzberger Mathematiker Konrad Blank auch in Wolfurt nach Kalbs Herkunft erkundigte.[3]

Ungewollte Öffentlichkeit

Ein Leben als Kammerdiener bedeutete ein Leben im Hintergrund. Wenn nun Kaspar Kalb doch zu öffentlicher, wenn auch unerfreulicher Bekanntheit gelangte, war das ungewollt.

In den Mittagsstunden des 13. Februar 1827 wurde in seiner Wohnung im vierten Stock des Hauses Johannesgasse - Ecke Seilerstätte im 1. Wiener Gemeindebezirk der 70-jährige Mathematikprofessor Johann Konrad Blank ermordet. Geboren 1756 in Sulzberg, hatte es dieser nach einer theologischen Laufbahn zum Professor für Mathematik an der Akademie der Bildenden Künste in Wien gebracht, war Autor etlicher Lehrbücher und kaiserlicher Rat. Obwohl sehr zurückgezogen lebend und vom Wesen her misstrauisch, zeigte Blank einem polnischen Adeligen, Severin von Jaroszynski, der einmal sein Schüler gewesen war, seine Wertpapiere. Dieser hatte sich beim alten Lehrer eingeschmeichelt und ihn gebeten, ihm die Anlageform der Obligation zu erklären. Als der gutgläubige Alte seine Wertschatulle, die er Stunden zuvor bei seinem Freund Kaspar Kalb abgeholt hatte, öffnete, wurde er hinterrücks vom polnischen Baron erstochen. Das Verbrechen erzeugte im vormärzlichen Wien derartiges Aufsehen, dass Metternich persönlich die Berichterstattung darüber unter Zensur stellte.

Das außergewöhnliche Interesse an dieser Mordtat konnte er damit aber nicht abstellen. Es war das Boulevardstück schlechthin, da der Mörder mit der damals bekanntesten Wiener Sängerin Therese Krones liiert war. Außerdem bedeutete die Verhaftung des Mörders nur zwei Tage nach der Tat auch einen aufsehenerregenden Fahndungserfolg der Wiener Polizei - und wichtigster Helfer dabei war Kaspar Kalb. Er ward von Blank in einem in der Wohnung gefundenen Schriftstück als Testamentsvollzieher genannt. Bei seiner sofortigen Einvernahme konnte er der Polizei mitteilen, dass Blank ihm beim Abholen der Wertpapiere von einem polnischen Edelmann, einem ehemaligen Schüler am Privatinstitut Pleban, erzählt hatte, der die Wertpapiere studieren wolle. Das war der entscheidende Hinweis zur Identifizierung des Mörders. Mit seiner Freundschaft zu Konrad Blank und seiner Rolle bei der Aufklärung des Verbrechens kam der diskrete Kammerdiener nicht nur in die Polizeiprotokolle, sondern auch als Nebenfigur in den Roman „Therese Krones“ von Adolf Bäuerle.[4]

Verwandte und Landsleute

Kaspar Kalb war zu seiner Zeit keineswegs der einzige Vorarlberger in der Reichshauptstadt bzw. am Wiener Hof, und Kalb scheint innerhalb dieser kleinen Vorarlbergerkolonie eine dominierende Rolle gespielt zu haben. Er verkehrte nicht nur mit den Gelehrten Konrad Blank (aus Sulzberg) und Johann Raphael Khüny (aus Bludenz)[5], sondern auch mit den beiden Kustoden des kaiserlichen Münzkabinetts Franz Fidel Wachter und Joseph Bergmann. Dem Bregenzer Bernhard Kiene war er bei der Besorgung einer Hofknechtstelle behilflich und auch sein Wolfurter Dorf- und Namenskollege Mathias Kalb kam vermutlich in den Genuss seiner Protektion. Dieser war zuerst beim Magistrat der Stadt Wien als „Schätzmeister bei den Handschuhmachern" angestellt, ehe er in gleicher Funktion 1832 an den Hof wechselte. Schließlich ist mit Sebastian Kalb ein Neffe des Kammerdieners nach Wien nachgereist, der ihm im Alter offensichtlich eine große Hilfe war und dafür vom betagten Onkel finanziell unterstützt wurde. Sebastian Kalb war selbständiger Bortenmacher, konnte aber offensichtlich ohne die Unterstützung seines Onkels von diesem Geschäft kaum leben. Jedenfalls wurde er nach dem Tod Kaspar Kalbs in den 1850er Jahren verarmt per Schub in seine Heimatgemeinde Hard zurückgebracht.[6]

Ein Leben und Sterben ohne Aufsehen

Seinem Beruf entsprechend, in welchem Unterordnung, dauernde Präsenz und Diskretion die Grundtugenden zu sein hatten, scheint Kaspar Kalb ein zurückgezogenes und sparsames Leben geführt zu haben. Eine Zeitlang (bis 1824) war er verheiratet und hatte seine Privatwohnung in der Mariahilferstraße. Kinder hatte er keine. Nach dem Tod seiner Frau hat Kalb im Kirchberg'schen Stiftungshaus für Hofbedienstete am Spittelberg Wohnung genommen, wo er bis zu seinem Tode am 16. April 1841 blieb. Er beschäftigte eine Hausmagd, die in den letzten beiden Monaten von einer Krankenpflegerin unterstützt wurde. Bis zu seinem 85. Geburtstag im Jänner 1841 hat Kalb in der kaiserlichen Kammer gearbeitet.

In seinem Testament hatte er eine „Stille Beerdigung" gewünscht mit dem einzigen Zusatz, dass zehn Armen, „die beim Ceremonial erscheinen je 20 Kreuzer" zu geben seien. Und auch die übrigen Bestimmungen des kurzen Testaments waren recht unspektakulär: Die Magd sollte die Einrichtung ihres Zimmers und der Küche erhalten, seinem Neffen Sebastian Kalb, der die letzten Verfügungen zu vollstrecken hatte, wurden alle übrigen Einrichtungs- und Kleidungstücke zugesprochen, die nur einen Schätzwert von 260 Gulden ausmachten.

Seine Ersparnisse hatte der Erblasser in relativ komplizierten und - wie sich für die Erben erweisen sollte - unsicheren Transaktionen angelegt. Insgesamt hatte der Kammerdiener ein enormes Vermögen von 40.000 Gulden angespart, das zu gleichen Teilen an alle 12 lebenden Kinder seiner Brüder Johann Georg (Wolfurt), Benedikt (Hard), Andreas (Bregenz) und Balthasar (Wolfurt) gehen sollte. Allerdings meldete ein Wiener Kaufmann, dem Kalb einen Kredit von 20.000 Gulden gewährt hatte, wenige Tage nach der Testamentseröffnung seine Insolvenz an und aus der Masse war nicht mehr viel zu holen. Auch ein gewisser Freiherr von Bendern, der Kalb 4.000 Gulden schuldete, zögerte lange mit der Rückzahlung. Wieviel die Erben tatsächlich erhalten haben, läßt sich aus dem komplizierten Verlassenschaftsakt, der erst 50 Jahre nach Kaspar Kalbs Tod geschlossen wurde, nicht mehr exakt feststellen. Jedenfalls haben drei Generationen von Wiener Notaren und Bregenzer Rechtsanwälten ordentlich mitverdient. Dies umso mehr, als 1885 der ohnehin komplizierte Erbfall neu aufgerollt werden musste, da man bei der Erstabwicklung eine Harder Nichte vergessen hatte. Zumindest auf diese Art blieb der bescheidene Kammerdiener Kaspar Kalb noch weit über seinen Tod hinaus in vieler Munde und zu unserem Glück in den Akten.[7]

Einzelnachweise

  1. Meinrad Pichler, QUERGÄNGE, Im Dienste seiner Majestät, Kammerdiener Kaspar Kalb (1756 - 1841) aus Wolfurt, Seite 15ff
  2. Todesanzeige von Franz Kalb abgerufen am 10. August 2024
  3. Heimat Wolfurt, Heft 19 Seite 46ff
  4. Meinrad Pichler, QUERGÄNGE, Im Dienste seiner Majestät, Kammerdiener Kaspar Kalb (1756 - 1841) aus Wolfurt, Seite 19ff
  5. Der Sprachgelehrte und Philosoph Johann Raphael Khüeny Seite 62ff
  6. Heimat Wolfurt, Heft 21 Seite 33ff
  7. Heimat Wolfurt, Heft 21 Seite 34