Graf Heinrich (IV.[A 1]) von Görz (* um 1376 / 1380; † nach dem 18. März und vor dem 8. Juni 1454, in Toblach[1]), auch Heinrich von Görz-Tirol, herrschte über Teile der heutigen Bundesländer Tirol bzw. Osttirol und Kärnten.

Herkunft und Familie

Heinrich (IV.) stammte aus dem "Albertinischen Familienzweig" der Grafen von Görz-Tirol. Der andere Familienzweig, die"Meinhartinische Linie", war bereits mit Heinrich (VI.) von Görz-Tirol, Herzog von Kärnten und Graf von Tirol bzw. dessen Tochter Margarete (Maultasch) ausgestorben, ohne dass es Heinrichs Familie gelungen war, die Herrschaft über die von ihnen beherrschten Gebiete zurückzugewinnen, wie dies in den Teilungsverträgen ursprünglich festgelegt war.

Heinrich (IV.) war ein Sohn des Grafen Meinhard von Görz-Tirol (als Graf von Görz: Meinhard VI.) († 1385)[2] aus dessen Ehe mit Utehild von Matsch (auch Mätsch). Er war der Bruder des Grafen Johann (VII.) Meinhard von Görz-Tirol († 1430), mit dem gemeinsam er 1394 eine Erbeinigung mit den Herzögen von Österreich (Habsburgern) geschlossen hatte, die Heinrich noch am 29. Juni 1436 erneuerte. Am 14. März 1437 schloss er allerdings mit den Grafen Friedrich von Cilli und dessen Sohn Ulrich einen gegenseitigen Erbvertrag.[3].

Ehen und Nachkommen

Am 14. Oktober 1382 wurde Graf Heinrich mit Herzogin Elisabeth von Österreich († 1392), einer Tochter von Herzog Leopold III. von Österreich ("Leopold dem Gerechten"), verlobt.[4]. Später war er zweimal verheiratet und hatte aus beiden Ehen Nachkommen:
∞ in 1. Ehe seit ca. 1402 / 1407 mit Gräfin Elisabeth von Cilli († zw. Jänner 1436 und vor dem 14. März 1437[5]), einer Schwester des Grafen Friedrich (II.) von Cilli und Enkelin des Grafen Heinrich (VII.) von Schaunburg;

  • Gräfin Anna von Görz(-Tirol) ∞ mit Brunoro della Scala;
  • Gräfin Margaretha (oder Elisabeth) von Görz(-Tirol) († um 1450) ∞ Graf Johann von Öttingen(-Wallerstein) († 1449);

∞ 2. Ehe um 1438[6] mit Catharina de Gara;

  • Graf Johann II. von Görz-Tirol (* zw. 1438 und 1444[7]; † 22. Mai 1462, in Lienz), von 1454 bis 1462 gefürsteter Graf von Görz;.
  • Graf Leonhard von Görz-Tirol (* 1444, in Lienz; † 12. April 1500, Lienz), bis 1500 gefürsteter Graf von Görz, mit ihm starb die Dynastie aus;
  • Ludwig von Görz-Tirol (* zw. 1438 und 1444[7]; † um 1457)

Durch Gräfin Barbara von Cilli, eine Schwester seiner ersten Ehefrau, war Heinrich (IV.) ein Schwager des späteren Kaisers Sigismund. Da seine zweite Ehefrau Catharina de Gara vermutlich eine Tochter oder Enkelin von Anna von Cilli, einer weiteren Schwester von Elisabeth und Barbara war, war sie somit eine Nichte oder Großnichte ihres Ehemannes. Obwohl es über Catharina in der Literatur heißt, dass sie eine Parteigängerin der Habsburger war, was auch als Grund für ehelichen Konflikte mit Heinrich gesehen wird, dürfte die Ehe mit ihm ursprünglich Teil einer Allianz gegen die Habsburger bzw. deren "leopoldinischen" Familienzweig gewesen sein.[8].

Herrschaften

Heinrich (IV.) herrschte seit 1385 beziehungsweise 1394 bis zu seinem Tod offiziell über die Grafschaften Lienz und Görz und war außerdem Pfalzgraf in Kärnten. Nach dem Tod von Johann Meinhard erbte er 1430 die Grafschaft Kirchberg, die er um 1433 an seinen Schwiegersohn, den Grafen Johann von Öttingen verpfändete[9]. Außerdem führte er die Titel Statthalter von Belluno und Feltre sowie Landeshauptmann von Krain. Unter ihm verlegten die Grafen von Görz ihre Hauptresidenz von Görz nach Lienz.[7]

Leben

Unter Graf Heinrich (IV.) bzw. nach dem Tod seines Vaters begann der endgültige Abstieg der Grafen von Görz-Tirol. Heinrich trat ein schwieriges Erbe an. Aufgrund der geographischen Lage seiner Herrschaften war er sowohl von den Herzögen von Österreich (Habsburgern) bedroht, als auch von der Republik Venedig und den Grafen von Cilli, die wiederum vom ungarischen König Sigismund gefördert wurden. Hinzu kamen noch verwandtschaftliche Beziehungen zu den Herzögen von Baiern[A 2], die dies politisch auszunutzen versuchten, und das Erzbistum Salzburg. Auch wenn Heinrichs Politik insgesamt relativ glücklos war, spricht für ihn, dass er sich wenigstens zu behaupten versuchte und dass ihm dies trotz widriger Umstände noch halbwegs gelungen sein muss, wie der Umstand zeigt, dass seine Söhne letztlich seine Nachfolge antreten konnten. Allerdings verloren sie nur wenige Jahre später alle Herrschaften im Herzogtum Kärnten an Kaiser Friedrich III. und mit ihnen starb die Familie um 1500 endgültig aus.

Historisch wurde Graf Heinrich (IV.) in der Geschichtsforschung sehr negativ gesehen, was auf die Beschreibung, die sein Zeitgenosse Enea Silvio Piccolomini überliefert hat, zurückgeführt werden kann. Es lag vermutlich an dem Respekt vor dem großen Denker und Humanisten Piccolomini, dass seine Beschreibung von Heinrich (und auch von anderen Personen) in der späteren Geschichtsschreibung einfach übernommen und nicht einmal kritisch hinterfragt wurde. Da Piccolomini jedoch viele Jahre im Dienst des späteren Kaisers Friedrich III. stand, der zu den politischen Gegnern Heinrichs zählte, ist er in diesem Fall sicher kein unvoreingenommener Zeitzeuge. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass seine Beschreibung von Graf Heinrich in Wirklichkeit politische Propaganda war.[10] Ein päpstlicher Dispens, der im Mai 1450 ausgestellt wurde und Graf Heinrich erlaubte auch an Fasttagen Fleisch, Eier und Milchspeisen essen zu dürfen, legt nahe, dass er in seinen letzten Lebensjahren gesundheitlich schwer angeschlagen gewesen sein dürfte.[11]

Heinrich (IV.) in Sage und Legende

Während Graf Heinrich in der Geschichtsforschung später eher einen sehr schlechten Ruf hatte, machte ihn die volkstümliche Überlieferung, die sich in Osttirol erhalten hat, zu einem gutmütigen Fürsten, der unter seiner zänkischen und herrschsüchtigen Ehefrau Catharina sehr zu leiden hat. Um ihr zu entkommen, hält er sich daher besonders gerne auf der Burg Heinfels auf, wo er im Kreis von Zechkumpanen Zerstreuung und Trost sucht und es sich zusammen mit diesen und selbst seinen Gefangenen gut gehen lässt. Schließlich gelingt der "bösen" Catharina die Eroberung der Burg, und er endet dort als ihr Gefangener.[12]

Literatur

  • Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters. Kitab, Klagenfurt, 2000. ISBN 978-3902005045[A 3]
  • Helmut Krämer - Anton Prock: Südtirol - Osttirol - Nordtirol. Die schönsten Tiroler Burgen & Schlösser. Mit Tipps: Speisen und Logieren in alten Gemäuern. Tyrolia / Tappeiner, Innsbruck / Lana, 2009, ISBN 978-3-7022-2997-9, S. 78f.
  • Beatrix Pinzer – Egon Pinzer: Burgen, Schlösser und Ruinen in Nordtirol, und Osttirol. Edition Löwenzahn, Innsbruck, 1996, ISBN 3-7006-2122-3, S. 203

Einzelnachweise

  1. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 240
  2. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 220ff.
  3. vgl. Christian Lackner: "Dei gratias comes". Zum Gebrauch der Gottesgnadenformel bei den Grafen von Görz, von Ortenburg und von Cilli und den Burggrafen von Maidburg. In: Johannes Gießauf - Rainer Murauer - Martin P. Schennach (Hrsg.): Päpste, Privilegien und Provinzen. Beiträge zur Kirchen-, Rechts- und Landesgeschichte. Festschrift für Werner Maleczek zum 65. Geburtstag. (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 55) Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2010, ISBN 978-3-205-78577-4, S. 219
  4. vgl. Monika Schellmann: Zur Geschichte Herzog Ernsts des Eisernen (1386/1402-1424). Disseration (ungedruckt), Wien, 1966, S. 14 und vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 220 und 223
  5. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 232
  6. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 233
  7. 7,0 7,1 7,2 vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 230
  8. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 232f.
  9. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 225
  10. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 233f.
  11. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 239
  12. vgl. Beatrix Pinzer – Egon Pinzer: Burgen, Schlösser und Ruinen in Nordtirol, und Osttirol, 1996, S. 200

Anmerkungen

  1. Numerierung nach Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz, 2000, S. 224-240 und Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien 2001, S. 250
  2. Die Schreibweise des Landes Bayern mit y wurde erst einige Jahre nach dem Wiener Kongress im 19. Jahrhundert durch einen gesetzlichen Beschluss des damaligen Königs eingeführt. Da es um die Wittelsbacher bzw. um das Mittelalter geht, wird in diesem Artikel die Schreibung mit i verwendet.
  3. Bisher die einzige deutschsprachige wissenschaftliche Monographie zu den Grafen von Görz, quellenfundiert, aber in Bezug auf Sachlichkeit und Objektivität sind leider Abstriche zu machen.
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Heinrich VI. (Görz) behandelt.
Hier auf RegiowikiAT befinden sich Informationen sowie Ergänzungen, die zusätzlich von regionaler Bedeutung sind (siehe Mitarbeit).