Poigreich: Unterschied zwischen den Versionen

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[[File:Ortskapelle Poigen - Eingangsseite.JPG|thumb|Die Ortskapelle des Ortes Poigen, wo sich im Mittelalter das Verwaltungszentrum des Poigreiches befunden haben soll.]]
[[File:Ortskapelle Poigen - Eingangsseite.JPG|thumb|Die Ortskapelle des Ortes Poigen, wo sich im Mittelalter das Verwaltungszentrum des Poigreiches befunden haben soll.]]
[[File:Burgruine Ödes Schloss - Mauerreste 1.jpg|thumb|Mauerreste der früheren Burg Stein am Kamp, die ebenfalls als mögliches Verwaltungszentrum des Poigreiches oder der Grafen Poigen gilt.]]
[[File:Burgruine Ödes Schloss - Mauerreste 1.jpg|thumb|Mauerreste der früheren Burg Stein am Kamp, die ebenfalls als mögliches Verwaltungszentrum des Poigreiches oder der Grafen Poigen gilt.]]
'''Das Poigreich''' oder '''Poigenreich''' bezeichnet das Territorium einer mittelalterlichen Verwaltungseinheit (Grafschaft?) und umfasste in seiner Ausdehnung das Horner Becken und dessen Randgebiete.
'''Das Poigreich''' oder '''Poigenreich''' bezeichnet das Territorium einer mittelalterlichen Verwaltungseinheit, vielleicht einer Grafschaft. Es umfasste in seiner Ausdehnung das Horner Becken und dessen Randgebiete.


== Das Poigreich - eine Grafschaft oder nur eine Verwaltungseinheit? ==
== Das Poigreich - eine Grafschaft oder nur eine Verwaltungseinheit? ==
Als Poigreich wird das Territorium einer mittelalterlichen Verwaltungseinheit bezeichnet, die sich im heutigen Niederösterreich befand und im frühen Mittelalter das gesamte Horner Becken und dessen Randgebiete umfasste. Der Flächenumfang soll ca. 200 km² angegeben.<ref name="Seebauer16">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 16</ref> Die Bezeichnung Poigreich ("Peuchrich") findet sich erstmals in einem Stiftungsbrief des Stiftes St. Nikola in [[w:Passau|Passau]].<ref name="Seebauer18">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 18</ref>
Als Poigreich wird das Territorium einer mittelalterlichen Verwaltungseinheit bezeichnet, die sich im heutigen Niederösterreich befand und im frühen Mittelalter das gesamte Horner Becken und dessen Randgebiete umfasste. Der Flächenumfang soll ca. 200 km² betragen haben.<ref name="Seebauer16">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 16</ref> Die Bezeichnung Poigreich ("Peuchrich") findet sich erstmals in einem Stiftungsbrief des Stiftes St. Nikola (heute Teil der Stadt [[w:Passau|Passau]]).<ref name="Seebauer18">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 18</ref>


Als ihr Verwaltungssitz gilt der Ort Poigen (heute Teil der Gemeinde [[St. Bernhard-Frauenhofen]]). Ob dieses Poigreich, dessen Bezeichnung seit Anfang des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Publikationen zu finden ist<ref name="Seebauer19">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 19</ref>, eine Grafschaft war beziehungsweise mit einer Grafschaft Poigen ident war und ob es diese überhaupt gegeben hat, ist in der neueren Forschung umstritten. Den Begriff "Grafschaft Poigen" verwendet erstmals der Historiker [[w:Karl Lechner|Karl Lechner]], doch urkundlich ist im 12. Jahrhundert nur eine Grafenfamilie von Poigen belegt. Dabei handelt es sich um eine bairische Adelsfamilie, die für einen Zweig der Grafen von [[w:Grafen von Burghausen|Burghausen]], [[w:Grafen von Schala|Schala]] und [[w:Grafen von Plain|Plain]] aus dem [[w:Salzburggau|Salzburggau]] gehalten wird. Die Bezeichnung Poigreich für das Gebiet um Horn findet sich im 11. und 12. Jahrhundert, dieses Poigreich wird aber nicht als Grafschaft bezeichnet. Nach Lechner soll die Familie der Grafen von Poigen um 1150 ausgestorben sein, worauf sie von den [[w:Grafen von Rebgau|Grafen oder Herren von Poigen-Rebgau (Rebgauern)]] und den Grafen von Poigen-Hohenburg (Hohenburgern) beerbt wurden. Nach deren Aussterben um 1210 soll der Großteil ihrer Besitzungen an den [[Leopold VI. (Österreich)|Herzog von Österreich]] gefallen sein, der diese als Lehen neu vergab. Damals soll auch die "Herrschaft Horn" entstanden sein, die erstmals im Lehensbuch der [[Maissauer (Adelsfamilie)|Familie der Maissauer]] aus dem Jahr 1380 genannt ist.<ref name="Rigele">vgl. Brigitte Rigele: ''Die Maissauer''. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990, S. 88f., S. 90f. und S. 95</ref> An das Poigreich erinnert heute der "Poigenreich-Rundwanderweg".<ref name="Seebauer19"/>
Als ihr Verwaltungssitz gilt der Ort Poigen (heute Teil der Gemeinde [[St. Bernhard-Frauenhofen]]). Ob dieses Poigreich, dessen Bezeichnung seit Anfang des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Publikationen zu finden ist<ref name="Seebauer19">vgl. Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich'', 2018, S. 19</ref>, eine Grafschaft war beziehungsweise mit einer Grafschaft Poigen ident war und ob es diese überhaupt gegeben hat, ist in der neueren Forschung umstritten. Den Begriff "Grafschaft Poigen" verwendet erstmals der Historiker [[w:Karl Lechner|Karl Lechner]], doch urkundlich ist im 12. Jahrhundert nur eine Grafenfamilie von Poigen belegt. Dabei handelt es sich um eine bairische Adelsfamilie, die für einen Zweig der Grafen von [[w:Grafen von Burghausen|Burghausen]], [[w:Grafen von Schala|Schala]] und [[Werigand von Plain|Plain]] aus dem [[w:Salzburggau|Salzburggau]] gehalten wird. Die Bezeichnung Poigreich für das Gebiet um Horn findet sich im 11. und 12. Jahrhundert, dieses Poigreich wird aber nicht als Grafschaft bezeichnet. Nach Lechner soll die Familie der Grafen von Poigen um 1150 ausgestorben sein, worauf sie von den [[w:Grafen von Rebgau|Grafen oder Herren von Poigen-Rebgau (Rebgauern, Regauern)]] und den Grafen von Poigen-Hohenburg (Hohenburgern) beerbt wurden. Nach deren Aussterben um 1210 soll der Großteil ihrer Besitzungen an den [[Leopold VI. (Österreich)|Herzog von Österreich]] gefallen sein, der diese als Lehen neu vergab. Damals soll auch die "Herrschaft Horn" entstanden sein, die erstmals im Lehensbuch der [[Maissauer (Adelsfamilie)|Familie der Maissauer]] aus dem Jahr 1380 genannt ist.<ref name="Rigele">vgl. Brigitte Rigele: ''Die Maissauer''. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990, S. 88f., S. 90f. und S. 95</ref> An das Poigreich erinnert heute der "Poigenreich-Rundwanderweg".<ref name="Seebauer19"/>


== Das Verwaltungszentrum ==
== Das Verwaltungszentrum ==
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== Die Grafenfamilie von Poigen ==
== Die Grafenfamilie von Poigen ==
* 1050 ist erstmals ein Graf Gerold im Poigreich urkundlich belegt. Dieser stammte aus einer bairischen Adelsfamilie, die im Rottgau beheimatet war. Er soll seinen Sitz zunächst in Poigen und später auf der [[Burgruine Stein am Kamp|Burg Stein]] (heute eine Ruine auf dem Areal der Gemeinde [[Altenburg]]) gehabt haben.<ref name ="waldviertlerheimatbuch356">vgl. [[Adolf Kastner]] (Hrsg.): ''Waldviertler Heimatbuch'', 1994, S. 356</ref>
* In einer in [[w:Bratislawa|Pressburg]] ausgestellten Urkunde vom 29. September 1108, die sich heute im Archiv des [[Stift Zwettl|Stiftes Zwettl]] befindet, sind ein Graf Adalbert von Poigen und ein Gebhard von Beugin als Zeugen genannt.<ref name="Seebauer16"/>
* In einer in [[w:Bratislawa|Pressburg]] ausgestellten Urkunde vom 29. September 1108, die sich heute im Archiv des [[Stift Zwettl|Stiftes Zwettl]] befindet, sind ein Graf Adalbert von Poigen und ein Gebhard von Beugin als Zeugen genannt.<ref name="Seebauer16"/>
* Ein Gebhard von Biugen beziehungsweise Poigen wird in einer Urkunde des [[Stift Melk|Stiftes Melk]] vom 10. Februar 1115 und einer Urkunde des [[Stift Klosterneuburg|Stiftes Klosterneuburg]] vom 29. September 1136 genannt.<ref name="Seebauer16"/>
* Ein Gebhard von Biugen beziehungsweise Poigen wird in einer Urkunde des [[Stift Melk|Stiftes Melk]] vom 10. Februar 1115 und einer Urkunde des [[Stift Klosterneuburg|Stiftes Klosterneuburg]] vom 29. September 1136 genannt.<ref name="Seebauer16"/>
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* Ein Graf Leopold von Poigen ist einer in [[Zeiselmauer]] ausgestellten Urkunde des Stiftes Klosterneuburg vom 24. Juni 1213 genannt.<ref name="Seebauer16"/>
* Ein Graf Leopold von Poigen ist einer in [[Zeiselmauer]] ausgestellten Urkunde des Stiftes Klosterneuburg vom 24. Juni 1213 genannt.<ref name="Seebauer16"/>
* 1304 ist ein Ulrich von Poigen belegt, 1306 ein Pilgrim von Poigen.<ref name="Seebauer16"/>
* 1304 ist ein Ulrich von Poigen belegt, 1306 ein Pilgrim von Poigen.<ref name="Seebauer16"/>
* Graf Hermann, dessen Witwe Hildburg, vermutlich aus der Familie der Rebgauer, um 1144, gemeinsam mit ihrem Sohn Hermann, eine Mönchszelle nach der Regel des Heiligen Benedikt stiftete, aus welcher später das [[Stift Altenburg]] entstand<ref name="Pichler10">vgl. Sandra Pichler: ''Die Stiftskirche der Benediktinerabtei St. Lambert zu Altenburg''. Archäologie und Baugeschichte. (Ungedruckte) Diplomarbeit, Universität Wien, 2010. S. 10 [http://othes.univie.ac.at/8840/1/2010-01-29_0200462.pdf digital]</ref>, wird ebenfalls der Grafenfamilie von Poigen zugeordnet. Deren Hauptlinie soll mit ihm ausgestorben sein.<ref name="Seebauer16"/>
* Graf Hermann von Bouige<ref group="A">Nach Adolf Kastner Graf Gebhard von Poigen. Vgl. [[Adolf Kastner]] (Hrsg.): ''Waldviertler Heimatbuch'', 1994, S. 356</ref>, dessen Witwe [[Hildburg von Poigen|Hildburg]] († 4. Dezember 1144<ref name="Pichler12">vgl. Sandra Pichler: ''Die Stiftskirche der Benediktinerabtei St. Lambert zu Altenburg'', 2010. S. 12</ref>) um 1144, gemeinsam mit ihrem Sohn Hermann († 1156<ref name="Pichler12"/>), eine Mönchszelle nach der Regel des Heiligen Benedikt stiftete, aus welcher später das [[Stift Altenburg]] entstand<ref name="Pichler10">vgl. Sandra Pichler: ''Die Stiftskirche der Benediktinerabtei St. Lambert zu Altenburg'', 2010. S. 10</ref>, wird ebenfalls der Grafenfamilie von Poigen zugeordnet. Die Hauptlinie soll mit ihm ausgestorben sein.<ref name="Seebauer16"/>
 
== Ursprünge des Namens "Poigen" ==
Die Herkunft des Wortteils "Poigen" ist in der Forschung bis heute nicht eindeutig geklärt. Während die Rückführung auf die "Boiern", die einst im Waldviertel beheimatet waren, heute als nicht mehr haltbar gilt, ist eine Benennung nach den Grafen von Poigen zwar möglich, aber nicht belegbar. Eine weitere Theorie führt den Namensteil auf den slawischen Volksstamm der Poiken zurück, die ursprünglich im heutigen Slowenien ansässig waren. Teile von ihnen könnten mit den Awaren im 7. oder 8. Jahrhundert ins Waldviertel gelangt sein und dort gesiedelt haben, ehe im 9. und 10. Jahrhundert dort einige bairische Adelsfamilien und Klöster die Hoheitsrechte übernahmen.<ref>vgl. [[Adolf Kastner]] (Hrsg.): ''Waldviertler Heimatbuch'', 1994, S. 580357f.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* Friedrich Berg: ''Grenzstein im Poigreich'', 2005, Museumsverein Horn
* [[Adolf Kastner]] (Hrsg.): ''Waldviertler Heimatbuch''. Natur, Kunst und Kultur im Erlebnisreich der Überraschungen. Edition Nordwald, Zwettl, 1994. ISBN 3-901287-01-9. S. 355-357
* Sandra Pichler: ''Die Stiftskirche der Benediktinerabtei St. Lambert zu Altenburg''. Archäologie und Baugeschichte. (Ungedruckte) Diplomarbeit, Universität Wien, 2010. S. 11-13 [http://othes.univie.ac.at/8840/1/2010-01-29_0200462.pdf digital]
* Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich''. Mit historischen und didaktischen Anmerkungen (= Schriften zur Kulturgeschichte. Bd. 52). Verlag Dr. Kovač, Hamburg, 2018. ISBN 978-3-339-10266-9
* Renate Seebauer: ''Sagen und andere Kuriosa aus dem Poigreich''. Mit historischen und didaktischen Anmerkungen (= Schriften zur Kulturgeschichte. Bd. 52). Verlag Dr. Kovač, Hamburg, 2018. ISBN 978-3-339-10266-9
* [[Gregor Schweighofer]]: ''Poigreich-Führer'', 1955, Verlag Berger


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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== Anmerkungen ==
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[[Kategorie:Historischer Staat als Thema]]
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[[Kategorie:Geschichte (Niederösterreich)]]
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[[Kategorie:Schausplatz einer Sage aus Niederösterreich]]
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