Luftangriff auf Wiener Neustadt am 1. Oktober 1943

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Am 1. Oktober 1943 führten fünf amerikanische Bomber-Gruppen, ausgestattet mit dem viermotorigen Bombertyp B-24, den zweiten Luftangriff auf Wiener Neustadt durch. Ziel waren die Wiener Neustädter Flugzeugwerke in denen das deutsche Standardjagdflugzeug Me 109 produziert wurde. Anders als beim ersten Luftangriff am 13. August 1943 auf Wiener Neustadt wurde die in der Zwischenzeit verstärkte Luftabwehr nicht mehr überrascht sondern konnte den Angreifern empfindliche Verluste zufügen.[1]

Der amerikanische Angriffsplan

Die Westalliierten hatten Mitte August 1943 durch die Operation Husky die Insel Sizilien erobert. Damit war die Voraussetzung geschaffen, die Flugplätze der schweren Bombergruppen von Libyen nach Tunesien und somit näher an Deutschland zu verlegen. Die für Nordafrika zuständige 12. amerikanische Luftflotte verfügte über vier Bomber-Gruppen, die mit dem Flugzeugtyp B-17 ausgerüstet waren, und über fünf Bomber-Gruppen, welche die B-24 verwendeten.[2]

Für den 1. Oktober 1943 nahm sich die 12. US-Luftflotte vor, mit ihren vier B-17-Gruppen die Flugzeugwerke in Augsburg anzugreifen und mit den B-24-Gruppen die Me 109-Produktionsstätten in Wiener Neustadt. Während die B-17-Bomber mit dem Wetter Probleme hatten und Alternativziele in Italien und Deutschland, unter anderem Feldkirch, angreifen mussten, war das Wetter auf der Strecke der B-24-Bomber besser.[2]

Der Angriffsplan sah vor, dass die gestarteten 124 B-24 in zwei Angriffswellen (Combat Wave A und Combat Wave B) die Wiener Neustädter Flugzeugwerke angreifen sollten. Combat Wave A wurde gebildet aus der 389., 93. und 44.Bomber-Gruppe, die Combat Wave B aus den Bombergruppen 376 und 98. Die Flugzeuge starteten zwischen 7.00 und 8.00 Uhr in Tunesien und flogen über Italien und Kroatien in Richtung Plattensee. Über der Adria trafen die beiden Wellen auf eine Schlechtwetterfront. Während die Flugzeuge der A-Welle die Front ohne Probleme durchquerten, musste die 98. Bomber-Gruppe der zweiten Welle mit ihren 25 Maschinen umkehren. Da sie zuletzt gestartet war, schaffte sie wegen des Unwetters nicht mehr den Anschluss an die 376. Bomber-Gruppe, welche nun allein die zweite Angriffswelle bilden musste. Über dem Plattensee schwenkten die 67 Bomber der Combat Wave A nach Westen in Richtung Wiener Neustadt ein, einige Zeit später die wenigen Flugzeuge der Combat Wave B. Als letzter Orientierungspunkt vor dem Ziel musste noch der Raum Eisenstadt angeflogen werden, bevor der finale Anflug auf Wiener Neustadt beginnen sollte.[3]

Da es bis jetzt weder in der Luft noch auf dem Boden zu einer Gegenwehr gekommen war, glaubten die amerikanischen Besatzungen es ähnlich leicht zu haben, wie beim ersten Angriff am 13. August. Was sie nicht wussten war, dass bereits mehr als eine Stunde zuvor (um 12.38 Uhr), in Wiener Neustadt Fliegeralarm gegeben worden war. Möglich gemacht hatten dies Beobachtungen von militärischen Dienststellen in Agram, welche um 12.10 Uhr den Überflug von 50 bis 60 Bombern (Combat Wave A) in Richtung Norden gemeldet hatten. Den Überflug der rund zwanzig Flugzeuge der zweiten Welle meldeten sie eine Stunde später um 13.14 Uhr an die deutschen Dienststellen in Wien weiter.[3]

Die Amerikaner stießen somit in ein Wespennest, das seit ihrem letzten Angriff durch zusätzliche Flak-Kräfte verstärkt worden war. Auch befanden sich alle in der Ostmark verfügbaren deutschen Fliegerkräfte bereits im Anflug auf den Raum Wiener Neustadt um die feindlichen Bomber anzugreifen.[3]

Die deutschen Verteidiger

Folgende deutsche Flak-Kräfte waren seit dem letzten Angriff im August im Großraum Wiener Neustadt zusätzlich zu den bisher vorhandenen Kräften versammelt worden:[4]

  • Großbatterie Theresienfeld-Nord (Batterien 1./290 und 225/XVII)
  • Großbatterie Ungerfeld (2./290, 201/XVII)
  • Heeresflak in der heutigen Maximilian-Kaserne (1. und 2./Heeresflak-Abteilung 277)
  • Einzelbatterie Heuthal
  • Einzelbatterie Katzelsdorf (1./336)
  • Einzelbatterie Bad Fischau-Brunn (3./336)
  • weitere Großbatterie 8,8 cm (6./290, 3./290)
  • Eisenbahn-Flakbatterien 10,5 cm (2./543, 3./543)

Zusammen waren das 58 Rohre des Kalibers 8,8 cm und 23 des Kalibers 10,5 cm.

In der Luft wurden von den deutschen Dienststellen nach dem Fliegeralarm sämtliche Flugzeuge herangeführt, welche man in der Ostmark zur Verfügung hatte. Das Kernstück dabei bildete eine Gruppe des Jagdgeschwaders 27 bestehen aus dreißig Me 109-Jagdflugzeugen. Einige weitere Flugzeuge dieses Typs steuerte das Jagdgeschwader 108, eine Ausbildungseinheit aus Bad Vöslau, sowie die Platzstaffel des Flughafens Wiener Neustadt bei. Außerdem griffen 15 Zerstörer vom Typ Me 410 des Kampfgeschwaders 51 in das Geschehen ein.

Amerikanischen Verluste

siehe dazu: Verluste der 44. Bomber-Gruppe beim Luftangriff auf Wiener Neustadt am 1. Oktober 1943

Die amerikanischen Verluste werden je nach Quelle mit 12[5] oder 14[6] Maschinen für diesen Tag angegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an diesem Tag auch eine Gruppe Boeing B-17-Bomber in Österreich operierte, welche ursprünglich die Flugzeugwerke in Augsburg angreifen hätte sollen. Da sie aber ihr Ziel wetterbedingt nicht fand, griff sie Ausweichziele in Österreich und Italien an.[7] Eine Staffel bestehend aus 15 Bombern führte dabei den schweren Luftangriff auf Feldkirch durch, der 171 Todesopfer forderte.

Der Angriff auf Wiener Neustadt kostete den Amerikanern neun Flugzeuge, die in Österreich oder in Ungarn abstürzten. Dabei fanden 47 Besatzungsmitglieder den Tod (KIA = Killed in Action) und 45 gerieten in Kriegsgefangenschaft (POW = Prisoner of War). Einige weitere Flugzeuge trugen Beschädigungen davon, sodass in Jugoslawien und Italien je eine B-24 notlanden mussten.

Typ/Seriennummer MACR KIA POW Einheit Absturzuhrzeit (MACR) Absturzstelle (MACR) tatsächliche Stelle Bemerkung
B-24/41-23811
3
7
44. Bomber-Gruppe/66. Squadron Raum Wiener Neustadt
B-24/42-72877
9022[8]
4
6
44. Bomber-Gruppe/66. Squadron 11.50 Uhr Zielgebiet Blumau-Neurißhof MACR-Angaben: Zuletzt gesehen
B-24/41-23936
2
44. Bomber-Gruppe/66. Squadron Maschine landete schwer beschädigt in Italien, zwei Besatzungsmitglieder sprangen vorschnell ab
B-24/41-23918
2806[9]
8
2
44. Bomber-Gruppe/67. Squadron MACR-Angaben: Zuletzt gesehen
B-24/42-41017
15519
5
5
44. Bomber-Gruppe/67. Squadron Kobersdorf Oberpetersdorf
B-24/42-72853
6452[10]
7
3
44. Bomber-Gruppe/67. Squadron 12.00 Uhr Zielgebiet Bad Vöslau MACR-Angaben: Zuletzt gesehen
B-24/42-72816
3312
5
5
44. Bomber-Gruppe/68. Squadron Wiener Neustadt Neunkirchner Allee bei Wiener Neustadt
B-24/42-72857
15251[11]
10
44. Bomber-Gruppe/506. Squadron 11.50 Uhr Westungarn MACR-Angaben: Zuletzt gesehen
B-24/41-23711
3301
9
1
93. Bomber-Gruppe/328. Squadron Naintsch
B-24/42-40775
5859[12]
6
4
389. Bomber-Gruppe/565. Squadron 11.44 Uhr Zielgebiet Wiener Neustadt 2 km nordw. Wiener Neustadt

Folgen

Obwohl die Abwehr bei diesem Angriff sehr effektiv war, musste nach diesem und einem weiteren Luftangriff am 2. November die Flugzeugproduktion auf 24 Standorte dezentralisiert werden. Die amerikanischen Luftangriffe wurden nun von an immer heftiger, weil die US-Luftwaffe ihre großzügig ausgebauten Flugplätze im Süden Italiens nutzen konnte.

Einzelnachweise

  1. 44th Bomb Group - Roll of Honor and Casualties, Webseite abgerufen am 10. November 2014
  2. 2,0 2,1 Markus Reisner: Bomben auf Wiener Neustadt, Seite 326 bis 327, ISBN-10: 3-200-00649-8, Seite
  3. 3,0 3,1 3,2 Markus Reisner: Bomben auf Wiener Neustadt, Seite 328 und 329, ISBN-10: 3-200-00649-8, Seite
  4. Leopold Banny: Dröhnender Himmel - Brennendes Land - Der Einsatz der Luftwaffenhelfer in Österreich 1943 - 1945, Seite 145, Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft m.b.H., Wien 1988, ISBN 3-215-06272-0
  5. Chronologische Reihenfolge der Luftangriffe auf Österreich, Webseite www.airpower.at, abgerufen am 9. November 2014
  6. Leopold Banny: Dröhnender Himmel - Brennendes Land - Der Einsatz der Luftwaffenhelfer in Österreich 1943 - 1945, Seite 365, Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft m.b.H., Wien 1988, ISBN 3-215-06272-0
  7. Combat Chronology of the US Army Air Forces - OCTOBER 1943, Webseite http://www.usaaf.net/, abgerufen am 9. November 2014
  8. Scan von MACR 9022, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 10. November 2014
  9. Scan von MACR 2806, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 10. November 2014
  10. Scan von MACR 6452, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 10. November 2014
  11. Scan von MACR 15251, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 10. November 2014
  12. Scan von MACR 15251, Webseite http://www.fold3.com/, abgerufen am 10. November 2014