Johannes Kirchheimer

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Johannes Kirchheimer, auch Hans Kirchheimer, Kirchhaimber, Kirchhaimer, Johannes Charetanus, Johannes de Ketham, eigentlich Johannes Kellner aus Kirchheim (* um 1420, in Kirchheim unter Teck, Grafschaft Württemberg; † um / nach 1468, in Ofen, Königreich Ungarn) war Arzt (Bucharzt[A 1]) in Wien und Professor an der dortigen Universität sowie 1463/1464 unter dem Bürgermeister Wolfgang Holzer Ratsherr der Stadt Wien. Im Krieg zwischen Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Albrecht VI. von Österreich, der sich in den Jahren 1462 und 1463 auf die Stadt Wien fokussierte, gehörte er zu den Anhängern des Letzteren.

Herkunft und Familie

Hans Kellner, der später nach seinem Herkunftsort den Namen Kirchheimer führte, war der Sohn eines Bindermeisters. Um 1442 / 1443 heiratete er in Wien gegen den Willen ihrer Eltern Ursula Meichsner, die Tochter des Wiener Bürgers Stephan Meichsner. Aus der Ehe hatte er sechs Töchter. Mit seiner Familie bewohnte Kirchheimer bewohnte er ein Haus in der Stadt Wien (heute: Wien 1, Wollzeile 26 / Schulerstraße 21 bzw. Konskriptionsnummer 829).[1]

Karriere als Arzt

1437 kam Hans Kirchheimer nach Wien, wo er als Wundarzt praktizierte, während er gleichzeitig an der medizinischen Fakultät der Universität studierte.[1] Nachdem die Medizinische Fakultät im Juli 1446 wieder einmal Maßnahmen gegen "Empirikerinnen" und "Empiriker"[A 2] plante, wurde dieses Mal als erster Schritt beschlossen, gegen ihre eigenen Baccalare und Scholare vorzugehen, die unerlaubt praktiziert hatten. Zu diesen gehörte auch Hans Kirchheimer, der deshalb zum Dekan zitiert wurde, aber mit einer Ermahnung davonkam.[2]

1445 wurde er Baccalaureus, am 9. August 1447 bestand er das Lizentiaten-Examen und am 15. Jänner 1448 promovierte er zum Dr.med.[1] 1450/1451 sowie in den Sommersemestern 1454, 1458 und 1461 war er Dekan der medizinischen Fakultät. Als er 1455 für die Studenten gemeinsam mit dem Arzt Michael Puff eine männliche Leiche sezierte, hatte dies einen Skandal zur Folge.[3] 1461 war er Lector Ordinarius.[1] 

Es scheint, dass Kirchheimer als Arzt in Wien beziehungsweise an der dortigen Universität nicht unumstritten war. So soll er seinen Doktorgrad angeblich aufgrund von Interventionen und Protektion erlangt haben und einer gewesen sein, der in Bezug auf Wissen und Begabung mehr vorgab, als er in Wirklichkeit einlösen konnte.[4][A 3]

Karriere als Politiker

1462 erhielt Kirchheimer das Bürgerrecht der Stadt Wien[3], vom 19. September 1463 bis zum 15. April 1464 gehörte er dem Wiener Stadtrat an[5].

Im Krieg zwischen dem Kaiser und seinem Bruder gehörte er zu den Anhänger von Erzherzog Albrecht VI. von Österreich, der sich angeblich um 1443 bei einer rechtswidrigen Sache für ihn verwendet hatte.[4]. Bei der Absetzung des kaiserlich gesinnten Stadtrats durch Wolfgang Holzer am 12. August 1462 war er für dessen Festnahme zuständig.[6] Als Anhänger des Erzherzogs gehörte er aber auch zu jenen Personen, die Wolfgang Holzer zu Ostern 1463 inhaftieren ließ, ehe er kaiserlichen Truppen in die Stadt einließ. Nach dem Scheitern dieses "Putsches" wurde er sofort freigelassen.[3]

Der Tod von Albrecht VI. und die Folgen für Kirchheimer

Im Zusammenhang mit der Erkrankung des Erzherzogs Ende November 1463 wurde Michael Puff als Arzt gerufen, dies angeblich auf ausdrücklichen Wunsch des Erzherzogs, obwohl dessen Rat Jörg von Stain und der Burgvogt ihm Johannes Kirchheimer vorgeschlagen hatten[7]. Während Michael Puff für eine sofortige Beisetzung neben Verbrennung alles, was mit dem Kranken in Berührung gewesen wäre, eintrat, weil angeblich höchste Ansteckungsgefahr bestehen würde, behauptete Kirchheimer, dass der Erzherzog vergiftet worden wäre.[8] Nach dem Tod von Albrecht VI. Tod verließ Kirchenhaimer jedenfalls noch 1463 Wien und übersiedelte mit seiner Familie nach Ofen.[3]

Hans Kirchheimer und Johannes de Ketham

Hans Kirchheimer dürfte mit Johannes de Ketham (Karcham) identisch sein, der als Sammler anatomischer Zeichnungen um die Mitte des 15. Jahrhunderts bekannt wurde. Diese Sammlung enthält die ersten medizinischen Fach-Illustrationen und wurde 1491 in Venedig publiziert.[3][9]

Literatur

  • Felix Czeike (Hrsg.): Hans Kirchhaimer. In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 516–517. digital
  • Gerold Hayer: Krankheit, Sterben und Tod eines Fürsten. Ein Augenzeugenbericht über die letzten Lebenstage Herzog Albrecht VI. von Österreich. In: Markus J. Weninger (Hrsg.): "du guoter tôt". Sterben im Mittelalter - Ideal und Realität (= Günther Hödl - Barbara Maier (Hrsg.): Schriftenreihe der Akademie Friesach. Bd. 3). Wieser Verlag, Klagenfurt, 1998. ISBN 3-85129-269-3. S. 31-50

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 516–517.
  2. vgl. Sonia Horn: Examiniert und approbiert. Die Wiener medizinische Fakultät und nicht-akademische Heilkundige in Spätmittelalter und früher Neuzeit. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 2001, S. 80f.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 517. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „cz3517“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  4. 4,0 4,1 vgl. Gerold Hayer: Krankheit, Sterben und Tod eines Fürsten, 1998, S. 42.
  5. vgl. Richard Perger: Die Wiener Ratsbürger 1396 bis 1526. Ein Handbuch (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 18). Wien, 1988, S. 96 und S. 179
  6. vgl. Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 38). Böhlau, Köln u.a., 2015, ISBN 978-3-412-50139-6 (Teilweise zugleich: München, Ludwig-Maximilians-Universität, Dissertation, 2013) (digital), S. 557f.
  7. vgl. Gerold Hayer: Krankheit, Sterben und Tod eines Fürsten, 1998, S. 41
  8. vgl. Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 38). Böhlau, Köln u.a., 2015, ISBN 978-3-412-50139-6 (Teilweise zugleich: München, Ludwig-Maximilians-Universität, Dissertation, 2013) (digital), S. 639
  9. vgl. Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98–1520) (= Archiv für Geschichte des Buchwesens. Studien 4). Saur, München, 2007, ISBN 978-3-598-24903-7, S. 116

Anmerkungen

  1. Im Mittelalter Bezeichnung für einen Arzt, der an einer Universität ausgebildet wurde.
  2. Als "Empirikerin" oder "Empiriker" wurden damals Personen bezeichnet, die ihre heilkundige Tätigkeit ohne Erlaubnis der Medizinischen Fakultät ausübten, vgl. Sonia Horn: Examiniert und approbiert. Die Wiener medizinische Fakultät und nicht-akademische Heilkundige in Spätmittelalter und früher Neuzeit. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 2001, S. 79
  3. Zu bedenken ist allerdings, dass es sich dabei mit Blick auf die damalige politische Lage in Wien auch um Propaganda handeln könnte.
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