Innsbrucker Hexenprozess: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
K
Zeile 29: Zeile 29:


==Beteiligte Personen==
==Beteiligte Personen==
 
* [[Heinrich Kramer]] († um 1505), auch bekannt als Heinrich Institoris oder Heinrich von Schlettstadt, Dominikaner, Inquisitor, Autor des Buches "[[w:Hexenhammer|Malleus maleficarum]] (publiziert 1586)
*[[Heinrich Kramer]] († um 1505), auch bekannt als Heinrich Institoris oder Heinrich von Schlettstadt, Dominikaner, Inquisitor, Autor des Buches "[[w:Hexenhammer|Malleus maleficarum]] (publiziert 1586)
* [[Siegmund (Österreich-Tirol)|Erzherzog Siegmund von Österreich]], Graf von Tirol, besser bekannt als "''Siegmund der Münzreiche''", war als Tiroler Landesfürst, der für Innsbruck zuständige Herrscher. Nachdem er Heinrich Kramer zunächst unterstützte, dürften er oder seine Räte durch die Einbeziehung des Juristen Johannes Merwart für den Abbruch des Prozesses gesorgt haben. Dadurch, dass er Bischof Georg nicht von seiner Pflicht entband, gemeinsam mit dem Inquisitor den Prozess durchzuführen, durch die Übernahme der bis Ende Oktober 1485 angefallenen Prozesskosten und mit der Aberkennung des Schutzes für den Inquisitor beeinflusste er den Ausgang des Prozesses wesentlich und verhinderte so dessen Fortführung oder den Beginn eines weiteren Prozesses.<ref name="TschaiknerTH199" />
*[[Siegmund (Österreich-Tirol)|Erzherzog Siegmund von Österreich]], Graf von Tirol, besser bekannt als "''Siegmund der Münzreiche''", war als Tiroler Landesfürst, der für Innsbruck zuständige Herrscher. Nachdem er Heinrich Kramer zunächst unterstützte, dürften er oder seine Räte durch die Einbeziehung des Juristen Johannes Merwart für den Abbruch des Prozesses gesorgt haben. Dadurch, dass er Bischof Georg nicht von seiner Pflicht entband, gemeinsam mit dem Inquisitor den Prozess durchzuführen, durch die Übernahme der bis Ende Oktober 1485 angefallenen Prozesskosten und mit der Aberkennung des Schutzes für den Inquisitor beeinflusste er den Ausgang des Prozesses wesentlich und verhinderte so dessen Fortführung oder den Beginn eines weiteren Prozesses.<ref name="TschaiknerTH199" />
* [[w:Georg Golser|Georg Golser]] († 20. Juni 1489, in [[w:Brixen|Brixen]]), 1464–1488 [[w:Liste der Bischöfe von Bozen-Brixen|Fürstbischof von Brixen]], war als solcher der für die Stadt Innsbruck zuständige Bischof, der Heinrich Kramer zunächst ebenfalls unterstützte. Er korrespondierte während des Prozesses mehrmals mit dem Landesfürsten. Vom Prozess selbst hielt er sich fern.<ref name="prezi">vgl. [https://prezi.com/eq-lgjtipft-/der-innsbrucker-hexenprozess/ Der Innsbrucker Hexenprozess], Prezi.COM, abgerufen am 25. Dezember 2020</ref> Bischof Georg von Brixen wurde durch die Forschungsergebnisse des Historikers [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]] zum Inbegriff eines Gegners der Hexenverfolgungen stilisiert, was von den meisten neueren Arbeiten wie zum Beispiel der Neuen Deutschen Biographie unhinterfragt übernommen wurde. Nach Manfred Tschaikner ist seine Bedeutung für den Innsbrucker Hexenprozess und seine tatsächlichen Aktivitäten stark überschätzt.<ref name="TschaiknerTH210">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 210</ref>
*[[w:Georg Golser|Georg Golser]] († 20. Juni 1489, in [[w:Brixen|Brixen]]), 1464–1488 [[w:Liste der Bischöfe von Bozen-Brixen|Fürstbischof von Brixen]], war als solcher der für die Stadt Innsbruck zuständige Bischof, der Heinrich Kramer zunächst ebenfalls unterstützte. Er korrespondierte während des Prozesses mehrmals mit dem Landesfürsten. Vom Prozess selbst hielt er sich fern.<ref name="prezi">vgl. [https://prezi.com/eq-lgjtipft-/der-innsbrucker-hexenprozess/ Der Innsbrucker Hexenprozess], Prezi.COM, abgerufen am 25. Dezember 2020</ref> Bischof Georg von Brixen wurde durch die Forschungsergebnisse des Historikers [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]] zum Inbegriff eines Gegners der Hexenverfolgungen stilisiert, was von den meisten neueren Arbeiten wie zum Beispiel der Neuen Deutschen Biographie unhinterfragt übernommen wurde. Nach Manfred Tschaikner ist seine Bedeutung für den Innsbrucker Hexenprozess und seine tatsächlichen Aktivitäten stark überschätzt.<ref name="TschaiknerTH210">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 210</ref>
* Sigmund Saumer, damals Pfarrer von [[Axams]], wurde von Bischof Georg von Brixen mit seiner Vertretung im Hexenprozess beauftragt.<ref name="prezi" /> Auffällig ist, dass sich dieser, wie auch Leute des Erzherzogs, an den Befragungen der Zeugen und den Verhören der im Oktober verhafteten Frauen kaum beteiligte.<ref name="amman32">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 32</ref>
*Sigmund Saumer, damals Pfarrer von [[Axams]], wurde von Bischof Georg von Brixen mit seiner Vertretung im Hexenprozess beauftragt.<ref name="prezi" /> Auffällig ist, dass sich dieser, wie auch Leute des Erzherzogs, an den Befragungen der Zeugen und den Verhören der im Oktober verhafteten Frauen kaum beteiligte.<ref name="amman32">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 32</ref>
* [[Christian Turner]] war bei der Hauptverhandlung für Bischof Georg als dessen Generalkommissar anwesend. Wegen einer Visitation in der Diözese Brixen war er erst kurz vor dem Beginn der Hauptverhandlung zum Gerichtsverfahren nach Innsbruck angereist.<ref name="TschaiknerTH192">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 192.</ref> Während der Befragung der Angeklagten Helena Scheuberin durch Heinrich Kramer zu Beginn der Hauptverhandlung protestierte er gegen die gestellten Fragen und gegen die Art, wie diese gestellt wurden. Er drohte sogar, deshalb die Verhandlung zu verlassen, was eine erste Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Folge hatte.<ref name="ammann66">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 66</ref>
* [[Christian Thurner|Christian von Thurn (Christian Thurner)]] war bei der Hauptverhandlung für Bischof Georg als dessen Generalkommissar anwesend. Wegen einer Visitation in der Diözese Brixen war er erst kurz vor dem Beginn der Hauptverhandlung zum Gerichtsverfahren nach Innsbruck angereist.<ref name="TschaiknerTH192">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 192.</ref> Während der Befragung der Angeklagten Helena Scheuberin durch Heinrich Kramer zu Beginn der Hauptverhandlung protestierte er gegen die gestellten Fragen und gegen die Art, wie diese gestellt wurden. Er drohte sogar, deshalb die Verhandlung zu verlassen, was eine erste Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Folge hatte.<ref name="ammann66">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 66</ref>
*Johann Kantner, päpstlicher Notar aus der Diözese Utrecht, führte die meisten Verhöre zusammen mit Heinrich Kramer.<ref name="amman32" /> Obgleich er ein Notar war, wurde seine Beiziehung von Heinrich Kramer auf der Hauptverhandlung von Johannes Merwart und Generalkommissar Thurner ausdrücklich als unzureichend beurteilt.
*Johann Kantner, päpstlicher Notar aus der Diözese Utrecht, führte die meisten Verhöre zusammen mit Heinrich Kramer.<ref name="amman32" /> Obgleich er ein Notar war, wurde seine Beiziehung von Heinrich Kramer auf der Hauptverhandlung von Johannes Merwart und Generalkommissar Thurner ausdrücklich als unzureichend beurteilt.
*Bei den Verhören wurde Heinrich Kramer von einigen Dominikanern unterstützt, die namentlich genannt sind, so Wilhelm Beringer, Heinrich Hoffmann, Wolfgang von Basel, Caspar von Freiburg und Magister Johann von Bosbach. Außerdem sind in den Verhörprotokollen der Minorit Johann Rosenbart und den "Schirmaister" Paul Cael (Caal).<ref name="amman32" />
* Bei den Verhören wurde Heinrich Kramer von einigen Dominikanern unterstützt, die namentlich genannt sind, so Wilhelm Beringer, Heinrich Hoffmann, Wolfgang von Basel, Caspar von Freiburg und Magister Johann von Bosbach. Außerdem sind in den Verhörprotokollen der Minorit Johann Rosenbart und den "Schirmaister" Paul Cael (Caal).<ref name="amman32" />
*Der Minorit Johann Rosenbart war ein früherer Kaplan von Erzherzog Siegmund, er könnte in Vertretung von diesem an einigen Verhören teilgenommen haben.<ref name="TschaiknerTH200">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 200</ref>
* Der Minorit Johann Rosenbart war ein früherer Kaplan von Erzherzog Siegmund, er könnte in Vertretung von diesem an einigen Verhören teilgenommen haben.<ref name="TschaiknerTH200">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 200</ref>
*Dr. Paulus Wann († 1489), der ebenfalls an der Hauptverhandlung des Prozesses anwesend war, wurde vom Erzherzog an seinen Hof in Innsbruck geholt. Er war Domprediger von [[w:Passau|Passau]] und dort außerdem ein bekannter Kirchenrechtler und Kanoniker. Zudem verfügte er über theoretisches Wissen zu Hexenverfolgungen.<ref>Weitere Informationen zu Paulus Wann finden sich auf [https://regiowiki.pnp.de/wiki/Paulus_Wann Regiowiki Niederbayern], abgerufen am 26. Dezember 2020</ref> Falls Heinrich Kramer versuchte, Paul Wann, der sich auch mit den Ratgebern des Erzherzogs traf, für sich zu gewinnen, dürfte er damit keinen Erfolg gehabt haben. Die Einbeziehung von Paul wann zeigt aber, dass der Erzherzog und seine Räte die Entwicklung von Kramers Prozess sehr genau beobachteten.<ref>vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 199f.</ref>
*Dr. Paulus Wann († 1489), der ebenfalls an der Hauptverhandlung des Prozesses anwesend war, wurde vom Erzherzog an seinen Hof in Innsbruck geholt. Er war Domprediger von [[w:Passau|Passau]] und dort außerdem ein bekannter Kirchenrechtler und Kanoniker. Zudem verfügte er über theoretisches Wissen zu Hexenverfolgungen.<ref>Weitere Informationen zu Paulus Wann finden sich auf [https://regiowiki.pnp.de/wiki/Paulus_Wann Regiowiki Niederbayern], abgerufen am 26. Dezember 2020</ref> Falls Heinrich Kramer versuchte, Paul Wann, der sich auch mit den Ratgebern des Erzherzogs traf, für sich zu gewinnen, dürfte er damit keinen Erfolg gehabt haben. Die Einbeziehung von Paul wann zeigt aber, dass der Erzherzog und seine Räte die Entwicklung von Kramers Prozess sehr genau beobachteten.<ref>vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 199f.</ref>
*[[Johannes Merwart]] († nach 1485) war ein Jurist und Arzt, der als Verteidiger der Angeklagten nach Beginn der Hauptverhandlung im Oktober 1485 zu dieser überraschend zugezogen worden war. Seine Zuziehung hatte den Abbruch des Hexenprozesses zur Folge.
* [[Johannes Merwart]] († nach 1485) war ein Jurist und Arzt, der als Verteidiger der Angeklagten nach Beginn der Hauptverhandlung im Oktober 1485 zu dieser überraschend zugezogen worden war. Seine Zuziehung hatte den Abbruch des Hexenprozesses zur Folge.
*Im Innsbrucker Hexenprozess wurden offiziell sieben Frauen angeklagt, die alle in Innsbruck ansässig waren: [[Barbara Selachin]], [[Barbara Hufeysen]], Rosina Hochwartin, ihre Mutter [[Barbara Röslin]], [[Agnes Sneider|Agnes Witwe Peter-Sneider]], [[Barbara Pflieglin]] und [[Helena Scheuberin]].<ref name="amman31">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 31</ref> In den Verhörprotokollen wird außerdem die getaufte Jüdin Ennel Notterin als Gefangene genannt.<ref name="TschaiknerTH199-FN55">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 199, Fußnote 55</ref>
* Im Innsbrucker Hexenprozess wurden offiziell sieben Frauen angeklagt, die alle in Innsbruck ansässig waren: [[Barbara Selachin]], [[Barbara Hufeysen]], [[Barbara Röslin|Rosina Hochwartin]], ihre Mutter [[Barbara Röslin]], [[Agnes Sneider|Agnes Witwe Peter-Sneider]], [[Barbara Pflieglin]] und [[Helena Scheuberin]].<ref name="amman31">vgl. [[w:Hartmann Ammann|Hartmann Ammann]]: ''Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485'', S. 31</ref> In den Verhörprotokollen wird außerdem die getaufte Jüdin Ennel Notterin als Gefangene genannt.<ref name="TschaiknerTH199-FN55">vgl. [[w:Manfred Tschaikner|Manfred Tschaikner]], in: ''Tiroler Heimat'' 82, 2018, S. 199, Fußnote 55</ref>


==Wer war für die Zuziehung von Dr. Merwart verantwortlich?==
==Wer war für die Zuziehung von Dr. Merwart verantwortlich?==
48.216

Bearbeitungen

Navigationsmenü